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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

und eines Volks andächtgen[1] Rausch die Rechte
der unterdrückten Menschheit gelten machte,
der zu Madrid für Kezer bat, am Thurme
der Santa Kasa für die Duldung stimmte? – –
So fliehe dann aus dem Gebiet der Christen
Gedankenfreiheit! Sünderin Vernunft
bekehre dich zu frommer Tollheit wieder!
zerbrich dein Wappen, ewige Natur!
Geh unter freies Flandern! – Dein Erretter
verlor den Mut, den Wahnwiz zu bekriegen.

Karlos.
(aus einer Zerstreuung erwachend, und den Marquis bei der Hand fassend mit sanfter Wehmut)
Sprichst du von mir? – Du irrst dich guter Mensch –
auch mir hat einst von einem Karl geträumt,
dem’s feurig durch die Wangen lief, wenn man
von Freiheit sprach – doch der ist lang begraben;
den du hier siehst, das ist der Karl nicht mehr
der zu Alkala von dir Abschied nahm,
der Karl nicht mehr, der sich beherzt getraute
das Paradieß dem Schöpfer abzusehn,
und dermaleins, als unumschränkter Fürst,
in Spanien zu pflanzen – O der Einfall
war kindisch aber göttlich schön. Vorbei
sind diese Träume – ein verborgner Wurm
frißt an dem Herzen dieser stolzen Staude,
auf ewig ist ihr Wuchs dahin.



  1. Vorlage: andächtgen die (Berichtigung. Siehe S. 200)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_121.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)