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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

als der Ritter gehabt hat, den eßbaren und giftigen Schwamm in Eine Klasse zu werfen.

Von dieser Seite betrachtet, läßt sich manches gegen die gewönliche Behandlung der Geschichte einwenden, und hier, vermuthe ich, liegt auch die Schwierigkeit, warum das Studium derselben für das bürgerliche Leben noch immer so fruchtlos geblieben. Zwischen der heftigen Gemüthsbewegung des handelnden Menschen, und der ruhigen Stimmung des Lesers, welchem diese Handlung vorgelegt wird, herrscht ein so widriger Kontrast, liegt ein so breiter Zwischenraum, daß es dem leztern schwer, ja unmöglich wird, einen Zusammenhang nur zu ahnden. Es bleibt eine Lüke zwischen dem historischen Subjekt und dem Leser, die alle Möglichkeit einer Vergleichung oder Anwendung abschneidet, und statt jenes heilsamen Schrekens, der die stolze Gesundheit warnet, ein Kopfschütteln der Befremdung erwekt. Wir sehen den Unglüklichen, der doch in eben der Stunde, wo er die That begieng, so wie in der, wo er dafür büßet, Mensch war wie wir, für ein Geschöpf fremder Gattung an, dessen Blut anders umläuft, als das unsrige, dessen Wille andern Regeln gehorcht, als der unsrige; seine Schiksale rühren uns wenig, denn Rührung gründet sich ja nur auf ein dunkles Bewustseyn ähnlicher Gefahr, und wir sind weit entfernt eine solche Aehnlichkeit auch nur zu träumen. Die Belehrung geht mit der Beziehung verloren, und die Geschichte, anstatt eine Schule der Bildung

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_022.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)