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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

„Mein erster Gedanke, sobald ich mich frei sah, war meine Vaterstadt. So wenig auch für meinen künftigen Unterhalt da zu hoffen war, so viel versprach sich mein Hunger nach Rache. Mein Herz klopfte wilder, als der Kirchthurm von weitem aus dem Gehölze stieg. Es war nicht mehr das herzliche Wohlbehagen, wie ichs bei meiner ersten Wallfahrt empfunden hatte – Das Andenken alles Ungemachs, aller Verfolgungen die ich dort einst erlitten hatte, erwachte mit einemmal aus einem schreklichen Todesschlaf, alle Wunden bluteten wieder, alle Narben giengen auf. Ich verdoppelte meine Schritte, denn es erquikte mich im voraus, meine Feinde durch meinen plözlichen Anblik in Schreken zu sezen, und ich dürstete iezt eben so sehr nach neuer Erniedrigung, als ich ehmals davor gezittert hatte.“

„Die Gloken lauteten zur Vesper, als ich mitten auf dem Markte stand. Die Gemeine wimmelte zur Kirche. Man erkannte mich schnell, jedermann der mir aufstieß, trat scheu zurük. Ich hatte von jeher die kleinen Kinder sehr lieb gehabt, und auch jezt übermannte michs unwillkürlich, daß ich einem Knaben, der neben mir vorbeihüpfte, einen Groschen bot. Der Knabe sah mich einen Augenblik starr an, und warf mir den Groschen ins Gesichte. Wäre mein Blut nur etwas ruhiger gewesen, so hätte ich mich erinnert, daß der Bart den ich noch von der Vestung mitbrachte, meine Gesichtszüge bis zum gräßlichen entstellte –

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_031.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)