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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

ihnen, wie in einem fremden Lande. Hofleute sah er nicht mehr; für sie war nichts bey ihm zu gewinnen. Seine Diener zu belohnen hatte er sich eine kleine Summe vorbehalten; Philipp war undankbar genug mit der Auszahlung zu zögern. Vormals Beherrscher so vieler Königreiche, war er izt ohne Geld, wandelte mit dem Breviar in der Hand in einem einsamen Kloster umher; geisselte sich jeden Freytag in der Fastenzeit – ein Kaiser wie dieser, welch ein Schauspiel für die Welt!

Indessen war es eine feierliche und sogar rührende Handlung als er die Regierung niederlegte. Er schloß seinen Sohn in die Arme, und sagte zu ihm: „nur deine Sorgfalt für das Glük deines Volks kann meine Zärtlichkeit belohnen. Möchten deine Kinder es werth seyn, daß du dereinst für einen unter ihnen eben das thun könntest, was ich jezt für dich thue.“

War Karls Seele würklich über den Thron erhaben, oder ließ er sich bloß von einer vorübergehenden Laune hinreißen? Es fehlt hierüber nicht an Vermuthungen, aber die wenigsten sind befriedigend. Vor ihm war niemand auf den Einfall gekommen, seine eigenen Exequien zu feyern; während der Leichengesänge die man um ihn her anstimmte, erkältete er sich in dem bleyernen Sarge, und starb noch in eben dem Jahr, an den Folgen dieser Erkältung.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_081.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)