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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

gepredigt hatten, er sei im unrechtmäßigen Besiz der Krone; und er hatte sogar Gregor dem Dreizehnten, der sich zum Schiedsrichter dieses Streits aufwerfen wollte, geantwortet, daß seine Rechte nur seinem Schwerdt unterworfen wären. Also schonte er die Priester seiner Kirche nicht, wenn sein Eigennuz oder sein Stolz auf dem Spiele war, und dieses muß sehr viel Licht auf seine Politik werfen, die den Schein und die äusserlichen Mummereien seiner Religion beibehielt, um mit unvergleichlicher Klugheit die zeitliche Gewalt desto besser an sich zu reissen.

Diese Heuchelei, diese Strenge, diese Grausamkeit spricht auch aus dem Privatleben dieses Fürsten. Seine Seele war dem Mitleiden unzugänglich. Ohngeachtet seines Rangs fand er Vergnügen daran, den Todesmartern der unglüklichen Schlachtopfer der Inquisition zuzusehen, und er versicherte, daß er selbst bereit seyn würde, des Henkers Stelle zu ersezen, wenn es an einem fehlen sollte. Er schien – schaudernd schreib’ ich es nieder, und doch ist es historisches Faktum – er schien sich an dem Rauchen des Bluts dieser Märtirer zu ergözen; und bei diesen zermalmenden Schauspielen lies er noch besoldete Spionen herumgehen, welche auf die unwillkührlichen Regungen des Mitleidens in den Augen der Zuschauer lauerten; und wehe dem Unglüklichen, in welchem die Natur erwacht war, er wurde dem Arm der Inquisition ausgeliefert.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_098.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)