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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

nur eine einzige Erscheinung in der Natur, das denkende Wesen. Die große Zusammensezung, die wir Welt nennen, bleibt mir jezo nur merkwürdig, weil sie vorhanden ist, mir die mannigfaltigen Aeußerungen jenes Wesens symbolisch zu bezeichnen. Alles in mir und außer mir ist nur Hieroglyphe einer Kraft die mir ähnlich ist. Die Geseze der Natur sind die Chiffern, welche das denkende Wesen zusammen fügt, sich dem denkenden Wesen verständlich zu machen – das Alphabet, vermittelst dessen alle Geister mit dem vollkommensten Geist und mit sich selbst unterhandeln. Harmonie, Wahrheit, Ordnung, Schönheit, Vortreflichkeit geben mir Freude, weil sie mich in den thätigen Zustand ihres Erfinders, ihres Besizers versezen, weil sie mir die Gegenwart eines vernünftig empfindenden Wesens verrathen, und meine Verwandschaft mit diesem Wesen mich ahnden lassen. Eine neue Erfahrung in diesem Reiche der Wahrheit, die Gravitation, der entdekte Umlauf des Blutes, das Natursystem des Linnäus heißen mir ursprünglich eben das, was eine Antike in Herkulanum hervorgegraben – beides nur Widerschein eines Geistes, neue Bekanntschaft mit einem mir ähnlichen Wesen. Ich bespreche mich mit dem Unendlichen durch das Instrument der Natur, durch die Weltgeschichte – ich lese die Seele des Künstlers in seinem Apollo.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft3_115.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)