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„Ich fürchte, die Bessie wird nicht zurückkehren und erst recht nicht den Lord heiraten,“ meinte Harst. „In Liverpool war sie in Pension. Da kann sie so leicht einen schmucken Seemann kennengelernt haben! – Mutter Flepp ist nicht so harmlos, wie sie scheint. Sie hat Bessie offenbar zu diesem Schritt gezwungen. Sie will, daß das junge Mädchen den Lord um jeden Preis heiratet –“

Er schwieg plötzlich. Er hatte noch mehr sagen wollen. Seine Hand krallte sich um meinen Arm.

„Da – da – der Mann mit den Ohrringen,“ flüsterte er. „Und – neben ihm –“

„Ja – was gibt’s denn? So sprich doch!“

Ich sah die beiden Gestalten, die dort an einem Haufen Fässer im Lichtschein einer der Bogenlampen standen. Gewiß – einer der beiden Leute war der Matrose Brigham, war der Spion, der uns auf dem Bahnhof beobachtet hatte.

Den anderen kannte ich nicht. Es war ein Herr mit grauem Spitzbart, der einen weißen Flanellanzug von etwas sehr jugendlichem Schnitt trug, dazu Lackschuhe mit weißen Gamaschen, einen Panamahut und – einen Kragen von beängstigender Höhe. – Kurz – es war der Typ des Lebegreises, der unbedingt noch jugendlich wirken will.

Die beiden waren keine zwanzig Schritt von uns entfernt. Wir befanden uns im Schatten. Sie standen in strahlender Helle.

„Lord Albemarle,“ flüsterte Harst. „Kein Zweifel, es ist Albemarle. Ich besinne mich jetzt genau auf sein Gesicht. Sehr genau. Man findet ihn jede Woche in indischen Sportzeitungen abgebildet. Der Mann macht alles. Es gibt keinen vielseitigeren Menschen wie Albemarle.“

Nun erinnerte auch ich mich an den Namen Albemarle.

Robert Albemarle, der Pferdezüchter, der Rennstallbesitzer und Autofex, – ich weiß Bescheid!“ meinte ich.

„Da – er zieht sein Portefeuille,“ flüsterte Harald wieder.

„Brigham lehnt das Geld ab –“

„Sie treten in den Schatten des Fässerstapels. Warte hier auf mich –“

Im selben Moment begann Harst auch schon ein bekanntes Matrosenlied zu gröhlen und torkelte, scheinbar schwer trunken, um die Ecke und den Weg an den Häusern entlang.

Sein Gesang wurde bald schwächer, verstummte ganz.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)