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Die schwere, dunkle Holztür fiel zu. Wir waren allein. Harald schaute mich an und lächelte.

„Spiegelfechterei, mein Alter!“ sagte er auf deutsch. „Diese exzentrische Dame hat bis zuletzt gehofft, wir würden nachgeben –“

Er beleuchtete dann mit der Laterne diesen kleinen Raum, der mit seinen kahlen Steinwänden und den dürftigen Möbeln nicht gerade wohnlich wirkte. Eine durch einen Vorhang verhüllte Türöffnung führte in ein noch kleineres Gemach, das so etwas wie ein Badezimmer ohne Badewanne vorstellen sollte. Auch hier gab es nur schießschartenähnliche Fenster, die für einen Mann zum Durchkriechen zu schmal waren.

Harst löschte die Laterne aus. Wir hatten ja unsere Feuerzeuge, konnten sie also jeden Augenblick wieder anzünden. Wir setzten uns auf das eine Bett, nachdem wir versucht hatten, durch die Schießscharten einen Blick ins Freie zu werfen. Es war draußen jedoch so dunkel, daß wir nichts sehen konnten.

„Lady Anna Broogs Absichten sind jetzt geklärt,“ begann Harald leise. „Sie will Lady Blackmoore aus Eifersucht verschwinden lassen.“

„Lady Anna Broog? Wer ist denn das?“ fragte ich erstaunt.

„Das ist James Goorb, mein Alter. In den Zeitungen, die auf dem Tische in der Kabine lagen, fand ich noch mehr recht interessante Notizen. Aus ihnen ging hervor, daß die „exzentrischsteDame dieses Jahrhunderts“ eine junge Witwe Anna Broog, Lady Broog, ist. Ihr Name war mir nicht fremd. Sie hat schon manchen tollen Streich sich geleistet und – Horch’, was war das eben?! Das klang wie Weinen und Schluchzen!“ Er sprang auf und eilte an das eine Fenster. Dort stand noch der Tisch, auf den wir vorhin gestiegen waren, um hinausschauen zu können. Harst war mit einem Satz oben und steckte den Kopf durch die schmale Maueröffnung, zog ihn wieder zurück und flüsterte: „Hilf mir! Vielleicht kann ich in der Seitenlage doch hindurch Hebe mir die Beine an. – Warte – so, nun los!“

Und wirklich: es glückte! Der schlanke Harst hing jetzt nur noch mit einem Fuß in der Öffnung, den Kopf nach abwärts. Dann verschwand auch dieser Fuß. – Unsere Zellen lagen im Erdgeschoß dieses Steingebäudes. Man hatte uns im Innern des Hauses keine Treppe hinaufgeführt. Harald

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Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/32&oldid=- (Version vom 31.7.2018)