Seite:Der Piratenschoner.pdf/35

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Der Morgen graute gerade, als wir auf das vereinbarte Signal hin an Bord gingen. –

Lady Anna Broog saß im Salon, von zwei Farbigen bewacht. Als wir eintraten, schnellte sie hoch und schoß auf Harst zu. – „Sie sind an allem schuld! Nur Sie!“ fauchte sie ihn wie eine Katze an. „Sie werden mich noch kennenlernen! Ich bin eine unversöhnliche Feindin!“

Dann ging sie – scheinbar zu ihrem Sessel zurück. Sie trug noch Männerkleidung. Plötzlich war sie mit zwei Sätzen an der getäfelten Wand, drückte eine verborgene Tür auf und verschwand. Ehe wir die Tür eingeschlagen hatten – ein Verschluß war nicht zu finden, – hörten wir schon den Motorkutter der Mohalla knatternd davonrasen. Wir stürzten an Deck. Am Steuer des Kutters stand Lady Broog und winkte uns höhnisch zu. –

Die Mohalla fuhr eine halbe Stunde später den Fluß hinab und nahm Kurs auf das nahe Madras.

Im Salon gab Harald uns die letzte Aufklärung über dieses einzig dastehende Piratenstückchen einer englischen Aristokratin. Und Brigham, in Wahrheit ein Franzose namens Tallien und Besitzer der Mohalla, die Lady Broog nur gemietet hatte, bestätigte alles. – Als Bessie Flepp und ihr Verlobter Melkope damals nachts an Bord der Atlanta gegangen waren, hatten die Spione Lady Broogs sie für Lord Blackmoore und seine Gattin gehalten, ein Irtum, der insofern leicht möglich war, da Melkope entfernte Ähnlichkeit infolge seines falschen Bartes mit Lord Blackmoore hatte und weil Lady Broog wußte, daß das Ehepaar sich demnächst wieder auf der Atlanta einschiffen wollte. – Nur deshalb war in jener Montagnacht die Atlanta entführt worden. Lady Broogs Spione beobachteten dann auch unsere Ankunft in Madras und ließen uns nicht mehr aus den Augen. – Die Atlanta, ebenso Lord Albemarles Meteor waren bereits wieder freigegeben worden. Wir fanden sie denn auch im Hafen von Madras vor. –

Lord Albemarle zog aus diesem Abenteuer die einzig richtige Lehre und – machte selbst bei Mutter Flepp den Freiwerber für seinen Rivalen Tom Melkope. Bessie und Tom sind längst ein glückliches Paar. Alles weitere erfährt der Leser in der folgenden Erzählung, in der einer der goldenen Spangenschuhe der Lady Broog eine nicht alltägliche Rolle spielt.




Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)