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Dieser sollte Lord Albemarle das Geheimnis entlocken, wo die Edelsteine versteckt waren. Es ist eine bekannte Tatsache, daß man Leute, die nach einem Opiumrausch noch im halben Dämmerzustand daliegen, zum Ausplaudern von allerlei Dingen veranlassen kann, indem man ihnen Fragen ins Ohr flüstert. Ich habe die Chinesin Mio-Ka vorhin betrunken gemacht. Sie hat mir erzählt, daß Tokaru so und so oft, wenn Albemarle opiumberauscht auf dem Diwan lag, neben ihm kniete und zu ihm sprach. Der Lord hat dann auch eines Tages das Geheimnis des chinesischen Rauchtisches unbewußt preisgegeben. Sie und Tokaru ermordeten ihn dann, indem Sie ihm auf der Straße als er in eine Rotte trunkener Matrosen geriet, zwei am Ende eines Spazierstocks angebrachte vergiftete Nadeln in den linken Oberarm stießen. So sollte ein Schlangenbiß vorgetäuscht werden. Albemarle spürte die Wirkungen des Giftes sehr bald. Britton war bei ihm. Und Britton erzählte mir, daß der Lord von Matrosen angerempelt worden war. Auf dem Ärmel der Jacke des Lords fand ich an der Stelle, wo die Stiche saßen, Straßenschmutz. Die Straßen waren abends gesprengt worden, und wahrscheinlich ist irgend wie etwas Schmutz an den Spazierstock gespritzt. Daß die Stiche von keinem Schlangenbiß herrührten, sah ich sofort. Sie lagen viel zu weit auseinander. Die Giftzähne einer ausgewachsenen Kobra, der größten Giftschlange Indiens, liegen allerhöchstens 2 Zentimeter auseinander. Die Stiche im Oberarm des Lords hatten einen Zwischenraum von 21/2 Zentimeter. – Ich fand das Geheimfach im Rauchtisch, weil Sie aus Unachtsamkeit ein Blättchen Zigarettenpapier in die Verschlußplatte eingeklemmt hatten, als Sie die Diamanten aus dem Zimmer holten, in dem der tote Lord saß. Er hatte zu niemandem über dies Versteck gesprochen. Ich überlegte mir, daß man ihm als Opiumraucher dies Geheimnis dort entlockt haben könnte, wo er diesem Laster frönte. Deshalb besuchte ich Tschodris Opiumhöhle, deshalb fragte ich die Chinesin aus. Und als Sie, Kasimir Stoschra, dann hier erschienen und mit Tokaru allerhand zu flüstern hatten, erkannte ich in Ihnen Tokarus Spießgesellen.“

Harald ging jetzt in eine Ecke des Zimmers. Dort stand ein reichgeschnitzter, sehr dicker Spazierstock aus Bambusrohr. Er hielt Marlan das untere Ende des Stockes hin. „Bitte, – dort sind noch die Löcher zu sehen, in denen die vergifteten

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Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/63&oldid=- (Version vom 31.7.2018)