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hätte, wenn der Schmuck echt gewesen wäre. Wenigstens hielt ich ihn damals nicht für echt. Das hochfrisierte, zum Teil wohl falsche Haar Mutter Flepps machte das längliche, faltige und stark geschminkte Gesicht noch länger. Alles in allem wirkte sie etwa wie eine an der Kasse sitzende Jahrmarktbudenbesitzerin.

Zwei Mixter (Mischer), bedienten die Gäste, die direkt am Schanktisch saßen. Drei Chinesen spielten die Kellner.

Wir quetschten uns noch mit an den Schanktisch heran und bestellten nach der Karte einen recht teuren Mischtrunk und ebenso teure Zigarren.

Mutter Flepp musterte uns mit ihren schwarzen, stechenden Augen so durchdringend, daß ich schon fürchtete, sie durchschaue unsere Maske.

Aber ihr Gesicht wurde sofort freundlicher, als Harst für uns ein gutes Zimmer für drei Tage verlangte und dabei Mutter Flepp eine Zwanzigpfundnote nachlässig zuwarf.

Sie rutschte mit ihrem hohen Schemel mehr nach links und saß uns nun gegenüber.

„Wo kommt Ihr her, Jung’s ?“ fragte sie auf englisch und schob ein frisches Stück Kautabak in den Mund.

Harald spuckte auf den Fußboden, grinste und sagte:

„Geht Dich ’n Dreck an, Mutter Flepp. – Was können wir zu essen haben?“

Ihre Stirn zog sich kraus. „Nur Kaltes, Jung’s. Die Bessie, das verdammte –, ist ja ausgekniffen. Sie kochte für die Gäste. Hab’ noch keinen Ersatz für sie.“

Harald beugte sich weit über den Tisch und flüsterte:

„Mutter Flepp, hab’ die Bessie gesehen, gestern. Droben in Pulikat.“ (Pulikat ist eine kleine Hafenstadt nördlich von Madras).

„Wie?! Gesehen?! Jung, Du lügst. Du warst ja noch nie hier. Du kennst die Bessie gar nicht.“

Harald krümmte sich vor Lachen.

„Noch nie hier?! – Gewohnt hab’ ich bei Dir noch nicht, Mutter Flepp. Aber versoffen hab’ ich hier schon manche Heuer.“

Sie nickte zerstreut und rief dem einen Mixter zu, auf die Kellner aufzupassen. Sie schloß die Kasse ab und sagte. „Kommt mit, Jung’s –“

Wir tranken aus und gingen hinter ihr drein. Sie führte

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Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)