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in den Händen der jungtürkischen Klubs. Die türkische Bevölkerung ist von dem Vorwurf freizusprechen, daß sie „in gesetzloser Selbsthilfe“ sich an ihren armenischen Mitbürgern, mit denen sie im Frieden lebte, vergriffen habe. Es braucht aber nicht erst gesagt zu werden, daß die systematisch organisierten Kurdenhorden und Verbrecherbanden, die auf die Deportierten losgelassen wurden, nicht lange eingeladen zu werden brauchten, nach ihren eigenen Gelüsten mit den unglücklichen Opfern der Deportation zu verfahren. Die große Masse der Erschlagenen kommt aber nicht auf Rechnung dieser legalisierten gesetzlosen Elemente, sondern auf Rechnung der Regierungsorgane, der Gendarmerie und der türkischen Milizen.


2. Die Lage beim Ausbruch des Krieges und während der ersten Kriegsmonate.


Wir haben bis jetzt die Ereignisse in Konstantinopel zurückgestellt, die am Sitz der Zentralregierung stattfanden und mit der Frage des Ursprungs der Gesamtmaßregel zusammenhängen.

In den Berichten sind die wenigen Akte des Widerstandes, die im Verlauf der Ereignisse vorgekommen sind, wie die geringfügigen Vorgänge in Zeitun, der bald niedergeworfene Widerstand in Schabin-Karahissar und die Selbstverteidigung der Armenier von Wan eingehend zur Sprache gekommen. Diese drei Vorgänge, zu denen vielleicht noch ein oder der andere bei näherer Kenntnis der ganzen Tragödie hinzukommen mag, standen in keiner Verbindung miteinander. Die drei Plätze sind jeder vom andern rund 400 Kilometer entfernt, und die Vorgänge, wie sie zeitlich auseinanderfielen, standen sachlich in keinerlei Zusammenhang. Auf irgendwelche Spuren einer planvollen gegen die Regierung gerichteten Bewegung sind wir nirgends in

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/194&oldid=- (Version vom 31.7.2018)