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oder irgend etwas zu verkaufen, um das für die Reise nötige Geld zu beschaffen? Viele Leute, die Besitztümer hatten, die sie hätten verkaufen können, wenn sie die Erlaubnis gehabt hätten, mußten zu Fuß gehen, mittellos und nur mit dem versehen, was sie in ihren Häusern zusammenraffen und auf dem Rücken tragen konnten. Sie wurden, wenn sie in Folge von Erschöpfung zurückbleiben mußten, mit dem Bajonett erstochen und in den Fluß geworfen. Ihre Leichen wurden an Trapezunt vorüber ins Meer getrieben, oder hingen im seichten Flusse an den Felsen, wo sie 10 bis 12 Tage blieben und verwestem, zum Entsetzen der Reisenden, die diesen Weg nehmen mußten. Ich habe mit Augenzeugen gesprochen, die bestätigten, daß man viele nackte Leichen an Baumstümpfen im Fluß gesehen habe, 15 Tage nach dem Geschehnis, und daß der Geruch fürchterlich gewesen sei.

Am 17. Juli, als ich mit dem deutschen Konsul ausgeritten war, trafen wir 3 Türken, die ein Grab im Sande gruben für einen nackten Leichnam, den wir dicht dabei im Flusse sahen. Die Leiche sah aus, als habe sie 10 Tage oder länger im Wasser gelegen. Die Türken sagten, sie hätten soeben weiter oben im Flußlauf andere 4 begraben. Ein anderer Türke sagte uns, daß, kurz bevor wir erschienen, eine Leiche den Fluß hinab ins Meer getrieben sei.

Mit Dienstag dem 6. Juli waren alle armenischen Häuser in Trapezunt, etwa 1000, geleert und ihre Bewohner deportiert worden. Es wurde nicht festgestellt, ob jemand der Teilnahme an irgend einer gegen die Regierung gerichteten Bewegung schuldig war. Wenn jemand Armenier war, so genügte das, um als Verbrecher behandelt und deportiert zu werden. Zu Anfang hieß es, es sollten alle außer den Kranken gehen, welch letztere in das städtische Krankenhaus gebracht wurden, bis sie wohl genug seien. Später wurden die

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/65&oldid=- (Version vom 31.7.2018)