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und ob auch später noch, wenn aus den Brautleuten erst Gatten geworden sind und der Ernst des Lebens an sie herangetreten ist, die Liebe, die man jetzt empfindet, stark genug sein wird, über manches beim andern hinwegzusehen, manche Eigenschaften zu ertragen, welche dem glückseligen Verlobten kaum auffallen, gewiß nicht mißfallen, den feinfühlenden Gatten, die Gattin aber vielleicht nicht nur unangenehm berühren, sondern oft geradezu unglücklich machen. In keinem Verhältnis ist der Trost: Das wird sich später schon geben! gefährlicher als hier, denn wenn diese Voraussage nicht eintritt, dann ist es zu spät. Obgleich Verlobte gegeneinander die größte Rücksicht haben wollen und nur einer im andern aufzugehen wünschen, so macht sich doch gerade bei ihnen fast ausnahmslos in ihren Zukunftsgedanken der größte Egoismus geltend. Jeder Teil wird überzeugt sein, daß der andre, schon ihm zuliebe dies oder jenes, was ihm nicht gefällt, von selbst lassen oder daß es ein Leichtes sein werde, es ihm abzugewöhnen; daß man selbst aber Pflichten gegen den andern habe und, ehe man sich jenen nach seinem Wunsch heranzieht, viel eher bestrebt sein müsse, sich seinerseits dem andern anzupassen

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Alban von Hahn: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. Otto Spamer, Leipzig [1896], Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Verkehr_in_der_Guten_Gesellschaft.pdf/139&oldid=- (Version vom 31.7.2018)