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sein, sich eine eigne Meinung zu bilden; man soll sie aber nicht von vornherein als unumstößlich hinstellen, sondern soll sich zu belehren suchen und sich belehren lassen, wo man nur kann. Schon aus praktischen Gründen müßte man solch absolutes Gebaren vermeiden, denn gerade diejenigen, welche nur ihre Auffassung als die einzig richtige hinstellen, sind gewöhnlich die, welche alle vier Wochen ihre Ansicht ändern; und welche Beschämung ist es dann für sie, wenn sie darauf aufmerksam gemacht werden, wie sie vor kürzester Zeit gerade das Gegenteil von dem, was sie heute aufstellten, behauptet haben. Aber es ist ein Zeichen der Zeit, dieses Fehlen jeglicher Pietät dem Bestehenden, Bewährten gegenüber und dieses unbarmherzige Verurteilen jeder andern Bethätigung, mit der man nicht ganz einverstanden ist, jeder andern Ansicht überhaupt, ohne daß man dazu durch Studien, Kenntnisse und Erfahrungen berechtigt ist. Abgesehen davon, daß sich ein junger Mann, der, anstatt seine Meinung zu äußern, ein Urteil fällt, im Kreis älterer Personen stets lächerlich macht, wird er sich kaum irgendwo durch seine Unbescheidenheit Sympathien erwerben und bald genug aus der Gesellschaft, die sich sein jungenhaftes Benehmen

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Alban von Hahn: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. Otto Spamer, Leipzig [1896], Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Verkehr_in_der_Guten_Gesellschaft.pdf/196&oldid=- (Version vom 31.7.2018)