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Wein

wird im weitern Sinne jede Flüssigkeit genannt, die aus vegetabilischen Substanzen mittels der geistigen Gärung gewonnen worden ist; im engern Sinne versteht man darunter nur diejenige Flüssigkeit, welche man aus dem Safte oder Moste der Trauben des in vielen südlichen Ländern wachsenden und mit vieler Sorgfalt gepflegten gemeinen Weinstocks (Vitis vinifera, L.) durch die geistige Gärung, als ein Produkt der Kunst, erhalten hat. So mannigfaltig wie das Klima, die Jahreswitterung und der Boden ist, in welchem der Weinstock wächst, so verschieden die Art, Natur und Kultur dieses edlen Gewächses und so abweichend die Behandlung der Trauben, des Mostes etc. ist, ebenso mannigfaltig ist auch der Wein an Farbe, Geruch, Geschmack, Gehalt und andern Eigenschaften; indes kommen alle Weine darin miteinander überein, daß sie bei der Destillation bald mehr, bald weniger Weingeist oder sogenannten Alkohol liefern, je nachdem sie geistreicher sind, oder nicht.

Der Wein wird nur aus völlig reifen Trauben bereitet. Merkwürdig ist die Erfahrung, daß man in der ehemaligen Champagne 25 statt 24 Tonnen Wein erhält, wenn man mit dem Taue zu lesen anfängt, und 26, wenn zur Zeit des Nebels angefangen wird. Werden die Beeren von den Kämmen abgesondert und allein gekeltert, so gibt dies den Beerenwein und wenn nur die besten Beeren der Trauben vorweg genommen werden, den Ausbruch. Die Beeren enthalten, je nach Lage und Witterung sehr verschiedene Mengen von Traubenzucker, um so mehr, je wärmer das betreffende Klima ist, ferner Weinstein und freie Weinsäure, Pflanzeneiweiß, Gerbstoff und andere, mehr indifferente Stoffe. Der gekelterte Most tritt in Wirkung der Eiweißstoffe bald von selbst in stürmische Gärung, die in großen Bottichen vor sich geht. Um Rotwein aus blauen und roten Trauben zu erhalten, läßt man den Most, welcher wie der aus weißen Beeren farblos ist, mit den Hülsen zusammen gären. In diesen steckt der im Most unlösliche Farbstoff; in dem Maße, wie sich durch die Gärung Weingeist (Alkohol) erzeugt, löst dieser denselben auf.

Empfohlene Zitierweise:
Anselm Josti [Hrsg.]: Die Bereitung warmer und kalter Bowlen. Voigt, Weimar 1885, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Bereitung_warmer_und_kalter_Bowlen.pdf/61&oldid=- (Version vom 14.9.2022)