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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

ungeheueres Gewicht! – bekommen hatte, entließen sie, damit um 994 so schneller zusammenkäme, was ihnen an dem versprochenen Schatze noch fehlte, alle ihre Gefangenen, mit alleiniger Ausnahme Sigifrids, indem sie nämlich für Heinrich seinen einzigen Sohn Sigifrid nebst dem Gareward und Wulferem, für den Ethelger aber dessen Oheim Thiedrich und den Sohn seiner Muhme, Olef, als Geiseln annahmen. Weil nun Sigifrid keinen Sohn hatte, so bat er meine Mutter, daß sie ihm mit einem ihrer Söhne aushelfen möchte. Diese, welche einer so dringenden Bitte zu genügen wünschte, schickte schnell an den Abt Ricdag [im Kloster St. Johannes bei Magadaburg] einen Boten, der meinen Bruder Sigifrid, der damals unter dessen Obhut als Mönch lebte, mit Genehmigung desselben abholen sollte. Ricdag aber, klug und vorsichtig, wie er war, widersetzte sich, nachdem er alles reiflich überlegt hatte, dem unbilligen Verlangen, und antwortete, er getraue sich ob des ihm von Gott anvertrauten Amtes nicht, das zu thun. Der Bote eilte nun, wie ihm befohlen war, zu Ekkihard, der damals Custos an der Kirche und Lehrer an der Schule des heiligen Mauritius war, und bat dringend, er möge mich wegen der Noth der Umstände meiner Mutter zurückschicken. So ging ich denn, und reiste in weltlicher Kleidung, in der ich bei den Seeräubern verweilen sollte, indem ich jedoch mein geistliches Gewand auch noch darunter anbehielt, an einem Freitage ab. Sigifrid, der viele Wunden hatte, entrann dennoch an demselben Tage mit Gottes Hülfe auf folgende Weise der Haft. Er überlegte in seiner großen Angst und Noth mit dem Nodbald und Edico viel hin und her, wie er entrinnen möchte, und trug diesen beiden endlich auf, ihm in einem schnellen Schiffe so viel Wein und was dazu gehöre, zu bringen, wie er seinen Wächtern werde einnöthigen können. Da seine Befehle nun ohne Verzug erfüllt wurden, so fraßen und soffen sich die gierigen Hunde voll. Als es darauf Morgen ward, und der Priester sich zur Messe anschickte, ging der Graf, frei von allen Wächtern, die noch, vom gestrigen Rausche überwältigt, da lagen, an das Vordertheil des Schiffes, wie um sich zu baden, und sprang in das bereit

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/129&oldid=- (Version vom 19.2.2023)