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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

994 gehaltene Fahrzeug. Da ward Lärm gemacht; den Priester schlug man als den vermeintlichen Anstifter der That in Fesseln, die Anker wurden gelichtet, schnell ruderte man den Fliehenden nach. Nur mit Mühe entrann ihnen der Graf. Als er das Ufer erreicht hatte, fand er dort, wie er vorher angeordnet hatte, Pferde bereit, und jagte fort, um nach seiner Burg Hersevel[1] zu kommen, wo sein Bruder Heinrich und dessen Gemahlin Ethela sich befanden, ohne einer so großen Freude gewärtig zu sein. Die Feinde aber, die ihm nachsetzten, drangen in eine Burg in der Nähe des Ufers, Namens Stethu [Stade], ein, und suchten ihn eifrig an den verborgensten Orten, und als sie ihn nicht fanden, raubten sie den Weibern die Ohrringe und kehrten ergrimmt zurück. Derselbe Grimm entflammte dann alle übrigen, und so schnitten sie am nächsten Morgen dem Geistlichen und meinem Neffen[2], so wie allen übrigen Geiseln Nasen, Ohren und Hände ab, und warfen sie über Bord in den Hafen. Dann entflohen sie. Jeder der Verstümmelten aber ward von den Seinen aus dem Wasser empor gezogen, und unendliche Trauer erhob sich. Ich indeß kehrte, nachdem ich meine Oheime besucht hatte und von meiner Familie liebreich aufgenommen war, durch Christi Gnade wohlbehalten in mein Kloster zurück.


996 17. Um diese Zeit starb der hochwürdige Bischof Liudulf von Augsburg, am 25. Juli, und an seiner Statt ward der Abt Gevehard von Elewangen[3] geweiht.

995 Indeß ward in einem Dorfe, Namens Horthorp[4], ein Kind geboren, welches halb wie ein Mensch, halb – nämlich hinten – wie eine Gans aussah; außerdem war sein rechtes Ohr und sein rechtes Auge kleiner als die an der linken Seite; die Zähne waren saffrangelb: an der linken Hand hatte es nur den Daumen, die vier anderen Finger fehlten ihm; vor der Taufe sah es stier aus,

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/130&oldid=- (Version vom 19.2.2023)
  1. Harsefeld, in der Nähe von Stade.
  2. Sigfried, der ein Sohn des Grafen Heinrich v. Stade war.
  3. Die jetzige Stadt Ellwangen im Würtembergischen Jagstkreise.
  4. Wahrscheinlich im Kreise Halberstadt, an der Bode gelegen. Die Quedl. Annalen berichten es 995.