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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


Buch in den Händen hatte; und alle suchten, indem sie dem Kranken aus diesen Büchern eine Schilderung seiner in dieselben eingezeichneten Handlungen mit großem Nachdruck vorlasen, ihn mit nichtigem Schrecken zu erfüllen. Da aber erschien der glorreiche Märtyrer Chrisi, St. Veit, wies sie fort mit einem Winke und trat zu ihm und tröstete ihn, und sagte ihm sogleich, wer er sei; dann segnete er ihn, und hieß ihn aufstehen und seinem Abte eiligst folgende Meldung machen: „Hüte dich, daß du so viele Ermahnungen von mir nicht mehr so leichtsinnig unbeachtet lässest, auf daß du nicht dereinst vergeblich klagen und zittern mögest. Denn wahrlich, ich sage dir, wenn du mir länger ungehorsam bist, so wirst du von Gott verworfen werden und noch bei deinen Lebzeiten einen anderen auf deinem Stuhle sitzen sehen.“ Dies alles, welches ein frommer Knabe von dem kranken Mönche vernommen und sich gemerkt hatte, fand der Abt, der es nicht achtete, nachher bestätigt. Darum ist es ein sehr heilsamer Rath, daß man die häufigen Ermahnungen guter Menschen beachten müsse; um wie viel mehr aber den Rath derer, die, ob ihres Verdienstes unter Gottes Kinder in der Seligkeit aufgenommen, in Bezug auf den Ausgang künftiger Dinge Gottes Willen kennen? Wer aber leichtsinnig weisem Rathe nicht vertraut, der wird sehen, was er allein vermag. Solcherlei Fälle kenne ich viele; solche Lehren bringen denen, die ihnen folgen, einen feinen Lohn, wenn es zum Ende kommt.


49. Kaiser Otto III. war dem Erzbischofe Gisiler von Magadaburg besonders wohl gewogen. Dies quälte den Markgrafen Ekkihard zuerst heimlich, dann aber brach sein Aerger allmählich hervor, als er mit bitterem Schmerze gewahr ward, daß jener ihm in allem vorgezogen wurde. Während deß begingen Ekkihards Unterthanen einen Diebstahl in dem Dorfe Goresin[1], den die Unseren sofort rächten. Denn sie verklagten sie vor ihren Gaugenossen und knüpften sie auf, obwohl sie dies, wie es recht

  1. Groß-Görschen, im Kreise Merseburg.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/164&oldid=- (Version vom 24.9.2023)