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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/163

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


solchen Missethat noch hieher zu kommen ohne flehentliche Fürbitte Anderer? Als darauf der Dekan den verstorbenen Bruder nach Kräften zu entschuldigen versuchte, empfing er von seinem geistlichen Vater folgende Antwort: „Mein geliebter Bruder, du weißt zwar, was der da als ein Augendiener vor deinen Augen gethan hat; was er aber fern von dir getrieben hat, das weißt du nicht; ich aber erwäge es sehr wohl, denn ich sehe klar, daß er jetzt in bitterer Qual ist, und ich flehe nur auf meinen Knieen um die Fürbitte unserer Schutzheiligen, daß durch dieselben die göttliche Liebe mir kund geben möge, ob ich jenem Sünder, wenn sie ihn gelöst hat, auch die Absolution ertheilen und die Kirchengemeinschaft gewähren darf. Gar schwer ist es, wider den Stachel zu löcken [Apostelgesch. 26, 14] und nicht geziemt es den Menschen, wenn Gott zürnt, zu vergeben.“ Nach diesen Worten begab sich der fromme Abt barfußig in die Betkapelle, seine besondere Zuflucht in Zeiten der Noth, und nachdem er in gewohnter Weise seine und seiner Mitmenschen Schwachheit beweint hatte, versöhnte er Gott, und machte den Schuldigen frei, und indem er dann sogleich mit vielen Danksagungen sich erhob, vergab er dem Verstorbenen vor allen Brüdern aus göttlicher Vollmacht sein Verbrechen, und gewährte dem Körper die Wohlthaten der Kirche und das Begräbniß in geweihter Erde.


48. So eben, mein Leser, hast du von der schweren Strafe gehört, welche auf die Nichtachtung der Heiligen folgt; jetzt vernimm, welch ein fördersames Heilmittel aus der beständigen Liebe zu denselben erwächst. Es lebte zur Zeit des Abtes Godescalk [von Corvei] ein Mönch, Namens Alvrich, dem die Migräne, welche eine zwiefache sein kann, entweder von der Gicht oder von den Würmern herrührend, heftigen Kopfschmerz verursachte. Als nun, wie er beinahe schon dem Tode nahe war, seine geistlichen Brüder bei ihm wachten, so traf es sich zufällig, daß einer nach dem anderen hinausging, und sie ihn so allein ließen. Da stiegen aus dem Abtritte Dämonen empor, von denen jeder ein besonderes

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/163&oldid=- (Version vom 24.9.2023)