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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


wohl! Da wirst du ein kleines Männchen sehen, ungestaltet an der linken Kinnlade und Seite, weil mir daselbst einmal eine noch stets wieder anschwellende Fistel ausgebrochen ist. Ein Bruch des Nasenknorpels, den ich in meiner Kindheit erlitten habe, gibt mir ein lächerliches Ansehn. Ueber das alles aber würde ich gar nicht klagen, wenn ich im Innern nur einige Vorzüge besäße. Aber ich bin ein Elender, sehr jähzornig und unlenksam zum Guten, von neidischem Charakter; ich verhöhne Andere, und verdiene doch selbst Spott; ich schone niemandes, wie es meine Pflicht wäre; ich bin ein Schlemmer und Heuchler, ein Geizhals und ein Verläumder, und (um diese schmachvollen Bezeichnungen, die ich mir aber mit Recht beilege, zu schließen) ich bin schlechter, als sich sagen oder irgendwie beurtheilen läßt. Ein Jeder ist befugt, nicht etwa leise davon zu murmeln, sondern es laut heraus zu sagen, daß ich ein Sünder bin, und es gebührt sich, daß ich auf meinen Knieen meine Brüder bitte, mich zu strafen und zu schelten. Gar manche würden von den Leuten gelobt, wenn nicht ein geringer Umstand ihnen im Wege stände, daß sie nicht unter die besten Menschen gerechnet würden, und weil es ein wahrer Satz ist, daß den Menschen überhaupt nur allzuviel fehlt an der rechten Vollkommenheit. Wozu nützt es denn, dergleichen von denen zu verbreiten, die noch schlechter sind, als diese? Jegliches Lob wird am Ende verkündet, und menschlicher Wandel im Feuer geprüft.



Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/167&oldid=- (Version vom 24.9.2023)