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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

lang sich aufgehalten, 1005 schon Schiffe und Brücken bauen lassen wollte, zeigte die göttliche Fürsehung den ausgesandten Kundschaftern desselben einen trefflichen Uebergangspunkt. In diese Untiefe begaben sich sofort auf Befehl des Königs sechs Schaaren mit Tagesanbruch hinein und kamen wohlbehalten durch dieselbe. Bolizlav’s Wachtposten aber, die das aus der Ferne sahen, meldeten ihrem Herrn schnell die traurige und unglaubliche Mähr. Dieser sandte drei und mehr Boten hin, und als er sich der Sache vergewissert hatte, brach er schnell sein Lager ab und entfloh mit den Seinigen, indem er viel Gepäck dort zurückließ. Der König aber, der mit bedächtigem Herzen das geschehene wohl erwog, stimmte mit der Geistlichkeit und der ganzen Gemeinde dem Herrn Lobgesänge an und setzte ungefährdet über den Fluß. Die Voraufziehenden hätten, wenn sie nicht auf die lange zögernden Liutizen gewartet hätten, die Feinde in ihrem Lager überraschen und überwältigen können. Die Unseren setzten freudigen Muthes dem Heere Bolizlav’s nach; da sie aber die wie flüchtige Hirsche davoneilenden nicht erreichen konnten, so kehrten sie zu ihren Genossen zurück.


20. Als der König von da aufgebrochen und bis zu einer Abtei, Namens Mezerici[1], gekommen war, beschloß er daselbst mit größter Andacht und Feierlichkeit das Jahresfest der Thebaischen Legion [Sept. 22.][2] zu begehen. Dabei war er bemüht, zu verhindern, daß weder dem dortigen Münster, noch den Wohnungen der abwesenden Mönche von den Seinen irgend ein Schaden zugefügt würde. Von da verfolgte er, immer die nächstgelegenen Gegenden verheerend, den Feind weiter, so daß derselbe in keiner seiner Burgen zu übernachten wagte, und machte auf Bitten seiner Großen nicht weiter, als zwei Meilen von der Burg Posnani [Posen] Halt. Das Heer aber, welches sich vertheilte, um Früchte

  1. Mezerizi d. h. Meseritz, an der Obra, einem Nebenflusse der Warta (Warthe).
  2. Die thebaische Legion, welche nach einer uralten Sage aus Christen bestand, wurde auf Befehl des Kaisers Maximinian wegen Verweigerung des Götzenopfers niedergehauen.
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/229&oldid=- (Version vom 30.9.2023)