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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1005 herrscht kein einzelner Gebieter. In vereinter Berathung unterhandeln sie über nothwendig zu nehmende Maßregeln in ihrer Volksversammlung, und stimmen überein zu gemeinsamer That. Widerspricht aber eines von den Mitgliedern in der Volksversammlung den gefaßten Beschlüssen, so wird er mit Schlägen gezüchtigt, und wenn er gar außerhalb der Versammlung offene Widersetzlichkeit übt, so verliert er entweder unabwendbar Haus und Hof durch Brand und Plünderung, oder er erlegt vor dem versammelten Volke eine ihm nach seinem Stande vorgeschriebene Summe Geldes.

Obwohl selbst treulos und wankelmüthig, verlangen sie doch von Anderen die größte Treue und Unwandelbarkeit. Frieden schließen sie, indem das oberste Haupthaar abscheiden, und dieses nebst etwas Gras mit der Rechten darreichen. Leicht aber lassen sie sich auch durch Geld bewegen, denselben zu brechen.

Diese Krieger also, welche vormals unsere Knechte, nun ob unserer Gottlosigkeit frei waren, kamen in so gräuelvoller Begleitung[1], dem Könige zu helfen.

Fliehe, mein Leser, den Verkehr mit ihnen und ihrem Götzendienste; vernimm und befolge die göttlichen Gebote, und wenn du das Glaubensbekenntniß, welches der Bischof Athanasius ausgesprochen hat, lernst und im Gedächtniß behältst, dann wirst du in Wahrheit beweisen können, daß alle diese Dinge, die ich eben erwähnt habe, nichts sind.


19. Also gelangten, von schlechten und verschiedenartigen Wegweisern geführt, bald größere, bald kleinere Schaaren der Unseren an die Oder. Sie schlugen aber ihre Zelte am Boberfluße auf, der auf Slavisch Pober, auf Lateinisch Castor heißt. Bolizlav aber, der die Ufer desselben befestigt hatte und mit einem großem Heere bei Crosno[2] lag, hinderte sie auf alle Weise am Uebergang. Als aber der König, nachdem er dort sieben Tage

  1. Es sind die Götzenbilder gemeint.
  2. Crosno d. h. Crossen, am Einflusse des Bober in die Oder, lag auf der Grenze der Liutizen und Polens.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/228&oldid=- (Version vom 30.9.2023)