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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/227

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

zusammenkommen, 1005 um den Bildern zu opfern und ihren Zorn zu sühnen, allein sitzen bleiben, während die andern stehen. Indem sie dann heimlich unter einander murmeln, graben sie zitternd in die Erde hinein, um vermittelst geworfener Loose nach Gewißheit über zweifelhafte Dinge zu forschen. Nachdem dies beendigt ist, bedecken sie die Loose mit grünem Rasen, und führen ein Roß, das für das größte von allen gehalten und als heilig von ihnen verehrt wird, mit demüthigem Flehen über die Spitzen zweier sich kreuzender, in die Erde gesteckter Speere weg, und suchen, nachdem sie vorher die Losung angestellt haben, durch welche sie die Sache vorläufig untersuchten, vermittelst dieses als eines gottgeweihten Thieres wiederum nach Vorbedeutungen für die Zukunft. Und wenn durch diese beiden Mittel ein gleiches Vorzeichen erfolgt, so handelt man darnach; wo nicht, so wird von den betrübten Eingebornen die ganze Angelegenheit aufgegeben[1]. Ebenso bezeugt das durch mannigfachen Irrthum betrogene Alterthum, daß, wenn ihnen einmal die grause Wuth eines langwierigen inneren Krieges droht, dann aus dem erwähnten Meere ein großer Eber mit weißen, glänzenden Hauern aus den Wogen hervorkommt, und sich vor Vieler Augen unter einer furchtbaren Erderschütterung im Moraste wälzend ergötzt.


18. So viel Gaue es in jenem Lande giebt, so viel Tempel hat man und so viel einzelne Götzenbilder werden von den Ungläubigen verehrt, unter welchen allen die genannte Burg einen ausgezeichneten Vorrang behauptet. Denn diese begrüßen sie, ehe sie in den Kampf eilen, sie ehren sie mit schuldigen Gaben, wenn sie glücklich heimkehren, und sorgfältig wird vermittelst der Loose und des Rosses, wie ich es eben geschildert habe, nachgeforscht, welch ein Opfer den Göttern als ein wohlgefälliges von den Priestern darzubringen sei. Der unsägliche Grimm der Götter aber wird durch das Blut von Menschen und Thieren besänftigt.

Ueber alle diese aber, die zusammen Liutizen genannt werden,

  1. Vgl. Grimm: Deutsche Mythologie Seite 380 flg.
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/227&oldid=- (Version vom 30.9.2023)