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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


1012 unterwegs den letzten Athemzug gethan hatte, den Propst Walterd zu sich rufen, und nachdem er sich und die Seinen der treuen Fürsorge desselben anempfohlen hatte, ging er am 9. Juni nicht in den Tod, sondern zu Christus, welchen er geliebt hatte, froh und glücklich. Die geistlichen Brüder verrichteten das mit Weinen und Klagen untermischte Gebet, und der Ritter Bodo ward mit der Trauerbotschaft an den König abgesandt. Der Leichnam aber kam an demselben Tage noch nach Frasa [Frosa], und ward dort, in priesterliche Gewänder gehüllt, nach seinem Bischofsitze hingeschafft und mit außerordentlicher Trauer von Allen in Empfang genommen.


42. Ich aber erfuhr dies alles spät in Merseburg und kam deshalb erst frühmorgens am Tage der Beisetzung selbst an, und begab mich, nachdem ich in der Hauptkirche eilig wenige Worte des Gebets gesprochen, in das Refectorium, wo der Propst mit allen geistlichen Brüdern und Rittern Sitzung hielt, um in Betreff der Wahl zu verhandeln. Vor ihnen stehend, weinte ich sehr, von heftigem Schmerze übermannt; dann begrüßte ich Alle und setzte mich und fragte, was sie beschlossen hätten. – Da antwortete Walterd: „Ich habe einen Abgeordneten an den König gesandt mit der Anzeige von dem Leide, das uns betroffen hat, und mit dem Auftrage, seine Willensmeinung in Betreff des nun zu verfügenden zu erforschen. Der König aber hat darauf den Bischof Herich [von Havelberg] zu uns gesandt, mit der Weisung, wir möchten keine eigentliche Wahl anstellen, sondern eine einmüthige Uebereinstimmung hervorbringen und von dieser ihm Anzeige machen. Nun aber ernennt die Liebe der Versammelten mich, der ich dessen freilich unwürdig bin, zum Erzbischofe, wenn Gott es so fügt und der König es will.“ Sogleich entgegnete ich ihm: „Ich bin einer von denen, die an dieser Wahl und Einsetzung Theil nehmen müssen, und rathe euch folgendes, was ich mit allen meinen Kräften zu befördern verspreche. Mein Herr, der König, möge befehlen, was er will, ihr aber sehet zu, daß ihr nicht verliert, was ihr von Gott und von Heinrichs königlichen Vorfahren an Rechten erhalten

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/260&oldid=- (Version vom 2.10.2023)