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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


Todten sehr wohl erkannte, fragte ich sogleich: wie es ihm erginge. 1012 Da antwortete er: „In der Buße bin ich gewesen nach Maßgabe meines Verdienstes, aber ich habe dieselbe jetzt schon völlig ausgehalten und überwunden.“ Darauf fragte ich hocherfreut: „So darf ich denn die Glocken läuten lassen und die Gemeinde zum Danke und Preise Gottes auffordern?“ Er aber antwortete: „Ja, so ist es.“ Dann fragte ich, im Gespräche fortfahrend: „Ist dir bekannt, daß wie Manche sich zuraunen, des Königs Neigung dir entfremdet ist, weil du nach deiner Einführung vieles gegen ihn zu unternehmen beabsichtigt hattest?“ Hierauf versicherte er wiederholt: „Glaube mir, ich bitte dich, daß ich daran nicht Schuld bin.“ Als ich ihn aber fragen wollte, warum er so schnell gestorben sei, erwachte ich, und dies war mir also zu erfahren nicht vergönnt. Späterhin erfuhr ich von wahrhaften Personen, daß er am Gedächtnißtage aller Heiligen [Nov. 1] vor dem Antlitze des Herrn zu erscheinen gewürdigt sei.

Alles was ich von ihm gesagt habe, habe ich nicht etwa aus besonderer Vorliebe für ihn vorgebracht, weil es gewiß ist, daß er vor seiner Einsegnung mir nicht sehr zugethan war, und daß, um den Vortheil seiner Kirche zu wahren, er der meinigen vieles in den Weg gelegt hat. Ich habe vielmehr dies alles zur Steuer der Wahrheit kund gemacht, und um den Schmähungen vorzubeugen, die aus dieser meiner Sinnesänderung erwachsen könnten, und ich habe alles noch geringer dargestellt, als es wirklich war, denn es ist in Wahrheit keiner von denen, die ihn überlebt haben, größer als er.

Nach seiner Bestattung ward Bischof Herich [von Havelberg] von uns an den König gesandt, um die von uns geschehene Wahl zu melden; ich aber stellte demselben bald nachher ein Sendschreiben zu, in dem ich die Verluste meiner Kirche schilderte und des Königs Gnade anrief.


48. Indeß ging Herzog Bolizlav [von Polen], auf die Kunde vom Tode des Erzbischofes sein Heer zusammenziehend, auf

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/273&oldid=- (Version vom 3.10.2023)