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Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/332

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1016 Auch kann ich den unersetzlichen Verlust nicht unerwähnt lassen, der mich nachher betraf. Mein Oheim nämlich, Graf Heinrich [von Stade], viel geltend, bei Christo sowohl als in dieser Welt, den man wegen seines wohlverdienten Greisenalters glücklich zu preisen alle Ursache hatte, bezahlte am 2. October 1016 die Schuld der Natur.[1]

Ferner kam auch Graf Wigman, ein in jeder Hinsicht dem Vaterlande nützlicher Mann, auf Anstiften einer zweiten Herodias, kläglich durch die Frechheit eines Knechtes um. Wie das gekommen ist, davon will ich den Trauerbericht mittheilen. Zwischen ihm und dem Grafen Balderich herrschte lange Fehde, wodurch Balderich, der mehrmals im offenen Kampfe völlig besiegt wurde, so gedemühigt ward, daß er unter den übrigen Großen nur in Schimpf und Verachtung lebte. Wigman dagegen ließ sich durch all sein Glück nicht aus seinem Gleichmuthe bringen, sondern schrieb das alles der Gnade des Herrn zu und dachte darauf, durch einen Friedensvertrag die lange wüthende Zwietracht beizulegen. Dann lud er seinen Feind zu freundlicher Bewirthung in sein Haus, gab ihm ein festliches Mahl und reiche Gastgeschenke, und ward nun auch von ihm wieder eingeladen, dem Scheine nach zur Befestigung des begonnenen Freundschaftsbündnisses, in der That aber, da ihm das die alte Schlange[2] durch sein Eheweib einflüsterte, damit der, der nie mit Gewalt hatte gefangen werden können, doch wenigstens durch List in die Falle gerathe. So willigte nun Wigman, dessen schlichtes edles Herz mit Recht nichts arges ahnte, ein in das, warum Balderich, der trügerische Freund, in erheuchelter Biederkeit ihn bat. Er ward dort auf das Beste empfangen, erkrankte aber auf der Stelle durch einen vergifteten Trank. Und da der heftige Schmerz immer zunahm, wartete er dort kaum den nächsten Tag ab, und als er sich dann wohlbeschenkt und mit herzlichen Abschiedsgrüßen entlassen entfernte, wurde er, indem man seine Ritter listig zurückhielt, von einem Knechte tückischer Weise überfallen und ermordet, ohne daß Balderich, dessen Herr, der in der Nähe war, es irgend

  1. Vgl. Quedlinburger Annalen 1016.
  2. Der Teufel.
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/332&oldid=- (Version vom 7.10.2023)