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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

alsbald selbst. Denn es wurde von den von allen Seiten aus 1018 einem Hinterhalte hervorbrechenden Friesen und von den Mannen des genannten jungen Grafen unerwartet umzingelt, und kam – es ist schrecklich zu schildern! – durch das Schwert und in den Fluthen um, ohne daß die Gegner einigen Verlust erlitten. Der Bischof entkam nur mit genauer Noth in einem Boote, der Herzog aber ward vor dem Feinde gerettet, und wahrhafte Zeugen versichern, daß die Zahl der Erschlagenen drei Legionen überstieg. Das ganze Land dort entbehrt eines bewaffneten, schützenden Armes, es ist in Angst vor landenden Seeräubern, es trauert fortwährend. Graf Godefrid ist dort gefallen, ebenso der treffliche Ritter Johannes, den das Vaterland stets beweinen wird; und ihre Waffengefährten, edel und ruhmbedeckt und bisher mit siegreichen Rechten kämpfend, ruhen jetzt, von einem unglücklichen Loose betroffen. Ihre Körper büßen jetzt, was unsere sündenbefleckten Leiber verschuldet haben; doch ich hoffe, ihre Seele wird Freude haben, von der schweren Erbitterung gereinigt. Damit aber du, mein Leser, über ein solches Ereigniß nicht staunest, so vernimm auch den Ursprung desselben. Jener unglückselige Graf Thiedrich war der Vasall des genannten Bischofs. Dieser hatte in einem Walde, Namens Mirwidu[1], ein großes Gut, über welches sämmtliche Landesbewohner beim Kaiser zu Niumagun [Nimwegen] Klage führten, daß es nämlich vom Grafen Thiedrich ihnen unrechtmäßiger Weise entwandt sei. Daher befahl nach dem Rathe seiner Großen der Kaiser dem Bischof von Utrecht, die Gebäude daselbst anzuzünden und das leere Grundstück den Klägern zurückzugeben, und da der abscheuliche Jüngling seinen Lehnsherrn von solchem Gebote nicht abbringen konnte, beurlaubte er sich und erklärte, er werde das zu verhindern wissen. Und es dauerte nicht lange, so geschah, was ich so eben erzählte, und zwar mehr um unserer Missethat willen, als weil der Sieger es also verdient hätte. Dies unaussprechliche und ganz unersetzliche Leid hatte schon lange vorher

  1. Der Wald Mirwidu (Merwe) lag an der Mündung des Rheins, östlich von der Stadt Dortrecht.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/381&oldid=- (Version vom 23.11.2023)