Seite:Die Chronik des Thietmar von Merseburg.pdf/99

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


besondere die römischen geistlichen Richter, denen durchaus alles 981. feil ist, und sann zuerst insgeheim darauf, wie er auf irgend eine Weise zur erzbischöflichen Würde gelangen könnte. Dann aber bat er öffentlich den Papst, Herrn Benedikt, nach der Zahl seiner Vorgänger desselben Namens der siebente genannt, mit großer Eindringlichkeit um seinen Beistand, den ihm derselbe auch, wenn der gesammte geistliche Rath damit einverstanden wäre, seinerseits zusagte. Darauf ward zu Rom eine Kirchenversammlung angestellt; die Weisesten kamen zusammen, aber es ward erfüllt jene Prophezeiung Jeremia’s: „Wie ist das Gold so gar verdunkelt und das feine Gold so häßlich worden?“ u. s. w. (Klag. 4, 1). Als nämlich die Richter vom apostolischen Stuhle befragt wurden, ob man den Gisiler zur erzbischöflichen Würde befördern dürfe, weil er jetzt ohne ein bestimmtes Amt sei, da er, wie er beständig klage, sein Bisthum, daß er vordem besessen, nicht mehr habe, weil er desselben ungerechter Weise von Hildiward beraubt sei, so bestätigten sie mit Worten und Beispielen, daß er nach kanonischem Rechte geziemend und gebührend diese Würde bekommen könne, indem sie dabei Davids Mahnung übertraten: „Richtet, was recht ist, ihr Menschenkinder“ (Ps. 58, 2) und so jenes Sprichwort wahr machten:

Nimmer vermag ein bestochener Richter das Recht zu erkennen.

Und jetzt glaube mir, Leser, daß es mir von Herzen widerstrebt und leid thut, daß ich, der ich soweit unter ihnen stehe, nun kund thun muß, was sie ohne sich zu schämen, ohne das Urtheil der Nachwelt zu scheuen, zu thun sich nicht entblödeten. Das Bisthum Merseburg, welches damals frei und selbständig dastand, wurde darnach, indem der bischöfliche Sitz aufgehoben ward, der Kirche zu Halberstadt unterthan, und Gisiler, nicht der Hirte, sondern der Miethling derselben, erreichte, immer nach Höherem strebend, am 10. Sept. seinen Wunsch, uneingedenk des Sprichworts: Wer hoch steigt, fällt hoch. Gewiß, er hätte, wenn er in dem ihm anvertrauten Amte hätte verbleiben wollen, mit Hülfe des Kaisers jeden Anstoß, der ihm irgend im Wege lag, völlig

Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/99&oldid=- (Version vom 7.8.2023)