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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Opfer bewundernder Freundschaft gelten. In Amerika ist man wie früher in Rom: Advocat und General. Cicero schrieb an Cäsar: „Cicero imperator Caesari Imperatori.“

Auch Kane hatte vor seiner berühmten Reise an den Nordpol in der amerikanischen Armee als Officier gedient und in dieser Eigenschaft den Krieg in Mexico mitgemacht. Am 15. Juni 1847 fand die Schlacht von Puebla statt. Im Anfange stand das Glück ganz auf der Seite der Mexicaner. Der linke Flügel der amerikanischen Armee war vom Feinde fast gänzlich erdrückt, das Centrum selbst wankte, Unordnung begann in den Reihen der Amerikaner einzureißen, die Schlacht schien verloren. Kane befehligte eine Schwadron Dragoner. Mit einem Blicke überflog er den Stand der Dinge; er sah, daß keine Zeit mehr zu verlieren sei, die kühne That allein konnte retten. Mit Blitzesschnelle warf er sich mit seinen Reitern auf die feindlichen Colonnen; sie wurden gesprengt – ein donnerndes Hurrah belebte den gesunkenen Muth der Amerikaner, – die gebrochenen Schlachtreihen ergänzten sich – ein neues verzweifelndes Ringen begann. Mann gegen Mann, Stahl gegen Stahl. – Das schreckliche Gemetzel endete mit einem Sieg der Amerikaner, der aber mit ungeheuren Opfern erkauft war.

General Taylor durfte, wie Pyrrhus nach der Schlacht bei Heraclea, die Siegesbotschaft an den Senat mit den Worten schließen: „Noch solch ein Sieg, und wir sind verloren.“

Kane war mit solcher Gewalt in die Reihen der Feinde eingedrungen, daß ihm seine Kampfgenossen nicht hatten folgen können. Plötzlich sah er sich einem mexicanischen Officier gegenüber, in dem er sogleich den würdigen Gegner erkannte. Es war eine jener ritterlichen Erscheinungen, wie sie sich unter der Herrschaft des Pulvers so selten mehr zeigen. Kaum hatten sich die beiden Kämpfer erblickt, als sie auf einander losstürzten, wie wenn jeder von ihnen jetzt erst im Handgemenge den von ihm lange gesuchten Gegner gefunden hätte. Und nun entspann sich einer jener Kämpfe, wie sie Homer besingt und Tasso erzählt. Beide Streiter waren jung, beide tapfer, beide gleich vertraut mit der Führung des Schwertes, beide herrliche Reiter auf ausgezeichneten Rossen: es war ein großartiges Schauspiel, dieser Kampf, in welchem Muth und Gewandtheit beider Theile gleich waren. Aber der Mexicaner hatte schon seit dem Morgen gefochten, seine Kräfte schwanden, sein Arm begann zu erlahmen, während die Hiebe des Gegners, dem diese Schwäche nicht verborgen blieb, sich verdoppelten. Mit übermächtiger Gewalt durchschlug Kane die Parade seines Feindes, und begrub sein Schwert in dessen Brust, daß er blutend rückwärts vom Pferde sank. – Im selben Augenblick fiel aber auch Kane; eine Kugel hatte seine Schulter getroffen. Mexicanische Reiter waren ihrem bedrohten Führer zu Hülfe geeilt, einer ihrer ersten Pistolenschüsse hatte Kane getroffen, der unmittelbar darauf Gefahr lief, durch einen Säbelhieb zu sterben, wenn nicht der bestimmte Befehl seines verwundeten Feindes den tödtlichen Streich von seinem Haupte abgehalten hätte. Murrend gehorchten die Mexicaner der Stimme ihres geliebten Führers, der ihnen befahl, sie beide nach Cholula zu bringen, wo man ihnen den ersten Verband anlegte, und sie dann zu General Gaona, dem Vater des jungen Mexicaners, schaffte.

Des jungen Gaona’s Mutter und seine holden Schwestern bemühten sich im edlen Wettstreit, den beiden gefährlich verwundeten Helden die sorgfältigste und umfassendste Pflege angedeihen zu lassen, nicht als wenn sie Feinde, sondern Brüder wären. Nach drei Monaten hatten die zarten Hände das Wunder der Heilung vollendet.

Die langwierige Krankheit, der gemeinsame Schmerz verwandelte die hochherzigen und tapferen Jünglinge, die sich feindlich gegenüber gestanden, in innige Freunde, die nichts sehnlicher wünschten, als fortan gemeinsam leben zu können. Nur zu bald jedoch vereitelte der Friede ihre schönen Pläne. Kane, vollständig wiederhergestellt, wurde nach Philadelphia berufen, da das Vaterland seiner Dienste bedurfte.

Die Kunde des Ereignisses hatte sich lange schon in Philadelphia verbreitet, in jedem Munde ertönte das Lob des unerschrockenen edlen Mitbürgers, der bei seiner Rückkehr mit ungetheiltem herzlichem Jubel empfangen wurde. Einstimmig ging der Vorschlag durch, dem tapferen Reiterführer, dessen heroische Aufopferung dem Vaterlande den Sieg errungen hatte, einen Ehrendegen mit goldenem Griffe als Beweis der Erkenntlichkeit seiner Mitbürger zu überreichen. Als die Deputation dem Gefeierten diesen Tribut der allgemeinen Achtung überbrachte, sprach der edle, uneigennützige Mann:

„Ihr leget einen großen Werth auf eine Handlung, die jeder brave und muthige Soldat verrichtet, der seine Schuldigkeit thut. Erlaubet mir, daß ich euch den Unterschied zeige zwischen dieser einfachen Erfüllung meiner Pflicht und einer Handlung der edelsten und erhabensten Hochherzigkeit.“

Und nun erzählte Kane, wie sein zum Tode verwundeter Gegner ihm das Leben gerettet, wie er ihn in sein väterliches Haus aufgenommen und dort in Mitte seiner Wunden mit unermüdlicher Sorgfalt die Pflege seines Feindes überwacht habe, und schloß mit der Bitte, daß dieser Ehrendegen nicht ihm, sondern seinem tapfern edelmüthigen Gegner eingehändigt werde.

Ein dreimaliger donnernder Beifallsruf folgte diesen schönen Worten Kane’s, und sogleich wurde einstimmig beschlossen, daß ein großes Volk nicht allein die Tapferkeit seine Mitbürger, sondern auch die Tugenden eines Feindes würdigen und ehren möge. Kane erhielt sein prachtvolles Schwert, indessen für den Mexikaner ein gleiches bestimmt wurde.

Die an mich ergangene Einladung, der ich pünktlich Folge leistete, hatte zum Zweck, mich bei meiner Abreise nach Mexico mit der Uebergabe des Ehrengeschenkes der Philadelphier an den tapfern Gaona zu betrauen.




Preußische Licht- und Schattenbilder.
Ein Schattenbild.
1. Die Gräfin Lichtenau.
(Schluß.)

Mit diesen körperlichen Vorzügen verband Wilhelmine einen ungewöhnlichen Grad von weiblicher Schlauheit, einen Geist, der nicht unbedeutend zu nennen war. Sie war klug genug, sich nicht in die politischen Angelegenheiten der Regierung zu mischen, wie dies die Gräfin von Dönhoff that, welche von den zahlreichen französischen Emigranten am preußischen Hofe für eine Republikanerin ausgeschrieen wurde, weil sie mit dem Prinzenerzieher Leuchsering, einem Jugendfreunde Goethe’s, und dem Fräulein von Bielefeld befreundet war. Die beiden Letzteren gehörten allerdings zu einer Partei in Berlin, welche sich damals offen zu den Grundsätzen der französischen Revolution bekannte und diese als die Morgenröthe der neuen Freiheit mit Entzücken begrüßte.

Die bürgerliche Wilhelmine scheint im Gegensatze zu ihrer hochadeligen Nebenbuhlerin zu den Gegnern der Revolution gehört und den König zu jenem abenteuerlichen „Zuge nach der Champagne“ mit veranlaßt zu haben, dessen kläglichen Ausgang uns Goethe so meisterhaft beschrieben hat. Nach der Rückkehr von jener traurigen Expedition war sie ihrem königlichen Freunde unentbehrlicher als je geworden; ihr Einfluß war jetzt so hoch gestiegen, daß der damalige englische Gesandte, Lord Spencer, sich an sie wendete, um den für England so gefährlichen Frieden von Basel zwischen Preußen und der französischen Republik zu hintertreiben. Im Auftrage seiner Regierung bot ihr der Gesandte 100,000 Guineen, um sie für seine Pläne zu gewinnen; sie war jedoch so uneigennützig oder so klug, diese große Summe auszuschlagen, wie die Mémoires d’un homme d’état berichten, welche dem späteren Fürsten und Staatskanzler Hardenberg zugeschrieben werden.

Unter dem Vorwande, daß ihre Gesundheit angegriffen sei, ließ sich die Favoritin von ihren Aerzten eine Reise nach Italien und den Gebrauch der Bäder von Pisa und Neapel verordnen. Der König, welcher sich nur ungern von ihr trennte, gab ihr die Erlaubniß zu dieser Reise und zugleich einen unumschränkten Credit an die vornehmsten Bankiers in Mailand, Livorno, Florenz und Rom. Er selbst begleitete sie am Tage ihrer Abreise, die frühmorgens

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_024.jpg&oldid=- (Version vom 10.1.2023)