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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

übrigens sehr befähigter und geistvoller Vertreter der streng-demokratischen Partei. Daß aber auch sein Einfluß nicht der maßgebende werde, dafür bürgt außer der Organisation der Geschäfte selber der weitere Umstand, daß in demselben Centralcomité, dessen Vorsitzender, Dr. S. Müller, ein Mitglied des Nationalvereins ist, sowie weiter in dem Gesammtcomité alle politischen Parteistellungen vertreten sind, ohne daß sich eine derselben bisher über Gebühr und zum Schaden der nationalen Sache hervorgedrängt hätte. Nach der ersten Anregung in Coburg nun ward die Idee des Schützenbundes im Jahre 1861 aus dem Schützenfeste in Gotha wieder aufgenommen. Hier wurden die Schützenvereine von Gotha, Frankfurt a. M. und Bremen mit der Gründung eines allgemeinen deutschen Schützenbundes beauftragt. Drei Abgeordnete aus jeder dieser drei Städte constituirten sich zuerst in Bremen als Ausschuß und vereinbarten die Grundzüge des Bundes, woraus sie später in Braunschweig die Satzungen desselben und die Fest- und Schießordnung feststellten und den schweizer Ordonnanzstutzen für die gemeinsame deutsche Schützenwaffe erklärten. Aus diesen in Braunschweig vereinbarten Satzungen heben wir die Hauptparagraphen nachstehend heraus.

§. 1. Der Zweck des deutschen Schützenbundes ist die Verbrüderung aller deutschen Schützen, Vervollkommnung in der Kunst des Büchsenschießens und Hebung der Wehrfähigkeit des deutschen Volkes. §. 2. Zur Förderung des Bundeszweckes findet alle zwei Jahre während der Monate Juli oder August ein allgemeines deutsches Schützenfest statt. §. 3. Mitglied des deutschen Schützenbundes kann sein jeder Deutsche, welcher im Vollgenuß der staatsbürgerlichen und Ehrenrechte seines Heimathlandes und Mitglied eines deutschen Schützen- oder Wehrvereins ist. §. 5. Jedes Mitglied zahlt einen jährlichen Beitrag von 10 Silbergroschen an die Bundescasse. §. 8. Die Organe des Bundes sind a) der Gesammtausschuß, b) der Vorort. §. 9. Dem Gesammtausschuß steht die gesetzgebende, dem Vorort die ausführende Gewalt im Bunde zu. §. 10. Der Gesammtausschuß wird von den Bundesmitgliedern gewählt. Je 100 Bundesmitglieder wählen ein Bundesmitglied zum Mitglied des Gesammtausschusses. §. 13. Der Vorort wird von dem Gesammtausschuß gewählt, §. 14. Wählbar zum Vorort ist jede deutsche Stadt, welche sich zur Abhaltung des nächsten deutschen Schützenfestes erbietet und genügende Sicherheit für dessen Abhaltung gewährt, §. 15. Die Mitglieder des deutschen Schützenbundes, welche am Vorort wohnen, wählen einen Vorstand, der aus neun Bundesmitgliedern besteht.

Dies sind die wesentlichsten allgemeineren Punkte der Satzungen. Die Gründer des Bundes hoffen durch diese Organisation den mit dem Schützenwesen zusammenhängenden Bestrebungen überhaupt einen Mittelpunkt zu schaffen, sodann auch die einzelnen Vereine zu heben und manchen alten Schlendrian auf den Schießplätzen derselben abzuschaffen und die Einheit der Waffe und des Kalibers zu erzielen. Der moralische Einfluß, den alle diese Bestrebungen auf den Einheitsdrang der Nation auszuüben berufen sind, ist unverkennbar. Wir können darum nur wiederholt den Wunsch äußern, daß die junge Schöpfung der Eintracht nicht durch kleinlichen Hader schon im Keime erstickt werden möge, uns zum Verderben und den Fremden, die auf unsere Einheitsbestrebungen geringschätzig herabsehen, zum Nutzen.

Wir fügen diesen Mittheilungen noch einige Notizen über den gegenwärtigen Stand des Unternehmens bei. Während vor den Thoren Frankfurts auf einem dazu sehr geeigneten großen Feld- und Wiesenraume, der sogen. Bornheimer Haide, sich eine kleine Stadt aus Backsteinen und Bretern erhebt, welche die Schießhalle, die Festhalle, den Gabentempel, die verschiedenen Bureaux, Küche, Keller, zahlreiche Verkaufsbuden und Wirthschaftsstände in sich schließen wird, sind in der Stadt selber nicht weniger als 200 Personen mit den directen Vorbereitungen zum Feste beschäftigt. Diese 200 Personen vertheilen sich in 10 Comités, deren jedes eine bestimmte Function hat und die von Zeit zu Zeit sich zu einer Gesammtcomitésitzung vereinigen, um sich gegenseitig Bericht über den Fortgang der Arbeiten zu erstatten und Fragen von allgemeinem Interesse zu besprechen. Die oberste Leitung des Ganzen hat das aus 8 Personen bestehende Centralcomité, dem sich ein Schießcomité, ein Festcomité, ein Wohnungscomité, ein Ordnungscomité, ein Preßcomité, ein Baucomité, ein Wirthschaftscomité, ein Empfangscomité und ein Finanzcomité anschließen. So complicirt diese Einrichtung auf den ersten Blick erscheinen möchte, so erweist sie sich doch in Anbetracht der großen Dimensionen, in denen das Fest angelegt ist, als praktisch und nöthig, denn jedes der einzelnen Comités hat mit der Lösung der ihm anvertrauten Ausgabe hinreichend zu thun.

Der eigentliche, 480,000 ◻' große Festplatz – außer diesem wird noch ein zweiter, Jedermann zugänglicher, größerer für die Volksbelustigungen hergerichtet – wird mit einer Holzwand eingefaßt und ist außer den Schützen dem Publicum und gegen ein Eintrittsgeld geöffnet, das theils zur Deckung der ganz außerordentlichen Kosten, theils zur Vermeidung eines das Schießen selbst erschwerenden übermäßigen Andranges Schaulustiger erhoben wird. Dieser innere Festplatz enthält: die Schießhalle mit hundert Ständen (1170’ lang, 50’ breit), den Gabentempel (64’ hoch), dessen Spitze die Figur der Germania ziert, die Festhalle (400’ lang, 100’ breit), welche wie ein Garten mit Grün, Fontainen u. s. w. angelegt wird und eine freie Aussicht über den ganzen Festplatz gewährt, ferner ein Post- und Telegraphenbureau, eine Badeanstalt, eine Bierhalle, – kurzum, alle diejenigen Einrichtungen, welche es dem Festtheilnehmer ermöglichen, den ganzen Tag auf den Festplätzen zu verweilen und daselbst für alle seine Bedürfnisse bequem sorgen zu können. Außer der Zeit der gemeinschaftlichen Mittagstafel wird in der Festhalle den ganzen Tag Restauration gehalten, und ein Jeder findet daselbst das, was er sucht, – vom billigen Tischwein oder „Schützenwein“, von dem 60,000 Flaschen vorräthig sind, bis zum feinsten Rheinwein oder Champagner. Die Leitung der Wirthschaft liegt in den Händen der in Massenbewirthung durch mehrjährige Leitung der Restaurationen bei den eidgenössischen Bundesschießen geübten schweizerischen Festwirthe Hafner und Guggenbühl. Jeden Abend nach beendigtem Schießen werden mehrere Musikcorps auf beiden Festplätzen spielen, Gesangvereine Lieder vortragen, Feuerwerke abgebrannt werden, ein Reitercircus seine Vorstellungen geben u. s. w., mit einem Worte Alles geschehen, was zur Erheiterung und Unterhaltung der Schützen und der in großer Masse zu erwartenden Gäste von nah und fern beitragen kann.

Einen Begriff von den enormen Summen, welche die Stadt Frankfurt für dieses Fest aufwendet, kann man sich machen, wenn man erfährt, daß für die Bauten allein nicht weniger als 130,000 fl. verausgabt werden. Rechnet man hierzu die Kosten für Festpreise von Seiten des Comité’s mit 10,000 fl., die Entschädigungen für Quartiere derjenigen Schützen, die nicht bei den Bürgern untergebracht werden, die Ausgaben für den Festzug, die Decorationen, Musik, Feuerwerk und die andern auf das Fest Bezug habenden Angelegenheiten, so beläuft sich die Gesammtsumme der nur von Seiten des Comité’s für das Fest zu verausgabenden Gelder auf fast 200,000 fl., wovon 102,000 fl. durch freiwillige Zeichnungen von Seiten der Bürgerschaft gedeckt sind.

Was die Ehrengaben betrifft, so giebt das Festcomité 300 silberne Becher à 30 fl.; die Stadt Frankfurt einen silbernen Pokal mit eigens hierzu geprägten Münzen, 1000 Festthalern, sowie 5000 fl. als Beitrag zu den Unkosten; der Nationalverein 1000 fl.; der Schützenverein zu Frankfurt 1000 fl.; der „Liederkranz“ von Frankfurt einen Pokal im Werth von 600 fl.; die verbündeten Frankfurter Männergesangvereine einen Preis von 600 fl.; die Bierbrauerinnung einen Preis von 500 fl.; die Frankfurter Schützengesellschaft eine Gabe im Werth von 300 fl.; eine Anzahl ungenannter Frankfurter einen Preis von 2000 fl. Die von Frankfurt allein ausgesetzten Preise beliefen sich bis Ende Mai auf 15,000 fl. Aber auch von außerhalb werden täglich mehr oder minder bedeutende Preise angemeldet, so von den in Rotterdam und Amsterdam lebenden Deutschen zwei Gaben, jede im Werthe von 600–800 fl., eine gleiche von München, aus der Schweiz prachtvolle Büchsen mit Zubehör, meist 300–500 fl. werth, der vielen silbernen Gefäße, der Fässer voll edlen Rheinweins u. s. w. nicht zu gedenken. Man darf als gewiß annehmen, daß ungefähr 500 Ehrenpreise eingesandt und zwischen 3000–4000 Schützen an dem Feste theilnehmen werden.




Neuestes Reisehandbuch für die Schweiz. Das Reisepublicum machen wir auf ein neues „Reisehandbuch für die Schweiz“ aufmerksam, das soeben im Bibliographischen Institut erschienen ist. Es ist von H. A. Berlepsch, der durch seine ausgezeichneten Schriften und namentlich durch sein Werk: „die Alpen in Natur- und Lebensbildern“ schon längst sich einen Namen erworben hat und auch die Leser der Gartenlaube durch so manchen vortrefflichen Aufsatz über Natur und Leben der Schweiz sich zum Danke verpflichtet hat. – Das gegenwärtige Reisehandbuch ist eine neue vollständige Umarbeitung der früheren Reisebücher des Verfassers, nach dem Routensysteme; es enthält 20 Bogen mit zwölf Specialkarten, sechzehn Ansichten, sieben Stahlstich-Panoramen (Rigi, Faulhorn, Aeggischhorn, Torrenthorn, Bella Tola, Pilatus, Riffelgrat) und fünf Städtepläne (Zürich, Bern, Basel, Genf, Mailand). Den anderen Reisehandbüchern für die Schweiz gegenüber zeichnet es sich besonders dadurch aus, daß es namentlich für Fußtouren in den Gebirgen specieller, genauer und zuverlässiger orientirt, daß es Notizen für den botanisirenden Dilettanten enthält und interessante, gedrängte Charakteristiken der einzelnen Cantone von Land und Leuten, Leben und Verkehr bringt, Besonderheiten hervorhebt, Eigenthümlichkeiten schildert. Wenn dagegen der Verfasser die Reisenden mit dem gewöhnlichen unbedeutenden, meist aus allem Zusammenhange herausgerissenen historischen Apparat anderer Reisehandbücher nicht belästigt, so bringt er doch alles übrige dem Reisenden nothwendige, nützliche und bequeme Material in Beziehung auf Entfernungen, Posten, Eisenbahnen, Gasthöfe u. s. w., in einer Vollständigkeit, Genauigkeit und Richtigkeit, wie sie von einem Schriftsteller zu erwarten sind, der seit vierzehn Jahren in der Schweiz lebt, überall selbst war, mit hellen Augen zu sehen gewohnt und in seiner Kritik unbestechlich ist. Das Handbuch kann auf das Angelegentlichste empfohlen werden und wird neben dem Baedeker’schen Rothen Buche sicher viele Käufer finden.




Aus dem Leben eines trefflichen Fürsten. Einer der ausgezeichnetsten Fürsten seiner Zeit, nicht blos durch Regententugenden, sondern auch durch tiefe Gelehrsamkeit, war der Herzog Ernst II. von Gotha-Altenburg, geb. 1745, der Urgroßvater des jetzt regierenden Herzogs Ernst II. von Coburg-Gotha mütterlicher Seits. Diese großen Eigenschaften waren die Früchte der Erziehung, durch seine hochbegabte, freiheitliebende Mutter Louise Dorothee, die mit den ausgezeichnetsten Männern damaliger Zeit, wie mit Friedrich dem Großen, Voltaire, Baron von Grimm, J. J. Rousseau und Anderen, in vertraulichem Briefwechsel stand, und des Unterrichts vortrefflicher Lehrer, wie des berühmten Lichtenberg in den Naturwissenschaften. Seine fürstlichen Erlasse gaben sowohl seinen festen Willen als auch seine weise Umsicht und vor Allem seine strenge Erfüllung der Regentenpflichten kund. Für seine Menschenfreundlichkeit spricht die Schonung seiner Landeskinder bei Stellung seines Contingentes zur Reichsarmee, ohne seine Pflicht als Reichsfürst zu verletzen, indem er, um Menschen zu schonen, statt Infanterie lieber Cavallerie stellte, weil nach dem Reichsfuß für 3 Mann zu Fuß einer zu Pferd gerechnet wurde. Durch seine wissenschaftlichen Studien in Physik, Astronomie, Geographie und Geschichte und seine Liebe zur Kunst stand er mit den bedeutendsten Gelehrten, z. B. dem damals berühmtesten französischen Astronomen Lalande, mit Goethe und Anderen, in häufigem Briefwechsel. Er sprach neben lebenden Sprachen das Lateinische gut, und im Griechischen, das man ihn in seiner Jugend nicht gelehrt hatte, versuchte er sich noch als Mann. – Ein Feind alles äußeren Gepränges war er schlicht und sparsam, nicht blos um die durch den Druck des siebenjährigen Krieges

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