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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

bestätigten auch auf geschehene Anfrage, daß sich in ihrer Verwahrung ein wohl eingepacktes und versiegeltes Packet, dem Anscheine nach die Papiere enthaltend, befände. Man glaubte ihm um so mehr, da er außerdem seinen Angaben durch die von dem Herzog von Kurland gewünschte Geisterbeschwörung einen unwiderleglichen Beweis zu geben wußte. In dem Palais des Herzogs, welches nach dessen Tode mit dem Dresdner Zeughause verbunden wurde, ließ Schrepfer den Geist des verstorbenen Chevalier de Saxe vor der ganzen Gesellschaft erscheinen. Der Eindruck war so mächtig und grauenvoll, daß der Herzog in Ohnmacht fiel und der Kammerherr von Heynitz fast darüber den Verstand verlor. Trotzdem erwachte bald wieder das Mißtrauen seiner Anhänger; sie verlangten das versprochene Geld, so daß Schrepfer sich genöthigt sah, das in Frankfurt deponirte Packet kommen zu lassen. An dem Tage, wo dasselbe in Dresden anlangte, entfernte sich Schrepfer nach Leipzig, wo er in Gegenwart seiner vertrautesten Schüler, der Herren von Hopfgarten und Bischofswerder, auf einem Spaziergange nach dem Rosenthal seinem Leben durch einen Pistolenschuß ein Ende machte.

Seine Papiere und verschiedene physikalische Apparate, welche sich in seiner Wohnung vorfanden, sollen in den Besitz des Herrn von Bischofswerder gekommen sein, der nach diesem Vorfall in Berlin am Hofe eine Anstellung fand und später im Verein mit dem berüchtigten Wöllner und der liederlichen Gräfin Lichtenau den schwachen, leichtgläubigen König beherrschte. Zu diesem Zwecke wurden allerhand verwerfliche Mittel und vorzugsweise auch Geistererscheinungen angewendet. In dem Palais der Gräfin unter den Linden fanden diese Vorstellungen statt, bei denen mit Hülfe der von Bischofswerder und seinen Mitverschworenen geschickt dirigirten Apparate die Geister Cäsar’s und des berühmten Philosophen Leibnitz beschworen wurden. Ein andermal mußte auf Veranlassung der Lichtenau dem Könige sein und ihr im zarten Alter verstorbener Sohn, der von Friedrich Wilhelm II. abgöttisch geliebte Graf von der Mark, erscheinen, um ihn an seine Pflichten gegen die Gräfin zu mahnen und das schon etwas gelockerte Band zwischen Beiden von Neuem zu befestigen. Dieses freche Gaukelspiel wirkte so mächtig auf die zerrüttete Constitution des Königs, daß er von kaltem Schweiß bedeckt in eine Ohnmacht sank und von krampfhaften Zuckungen ergriffen wurde. Mit Hülfe dieser und ähnlicher Taschenspielerkünste herrschten die Pietisten und politischen Intriganten an dem Hofe Friedrich Wilhelm’s II. zum Verderben des preußischen Staates.

Auch in neuester Zeit hat es in Berlin nicht an Geistererscheinungen und Geisterbeschwörern gefehlt, an deren Spitze der vor Kurzem erst verstorbene geheime Registrator Hornung stand. Derselbe versammelte in seiner Wohnung ein Häuflein Auserwählter und Gläubiger, zu denen der reiche, ebenfalls vor nicht langer Zeit heimgegangene Kaufmann Ravené, der General v. Pfuel, ein zwar höchst geistreicher, aber von allem Wunderbaren nur zu sehr eingenommener Herr, un der ihm befreundete Gesandte am Turiner Hofe, Herr von Willisen, so wie mehrere ältere Herren und Damen aus den höchten Ständen gehörten. Mittelst des sogenannten „Psychographen“, eines dem Storchschnabel ähnlichen Instrumentes, verkehrte die Gesellschaft mit den abgeschiedenen Geistern und Seelen. So wurde eines Tages durch Herrn Hornung der Geist des todten Dichters Heine citirt, um über seinen jetzigen Aufenthalt Aufschluß zu geben. Aber der ungezogene Liebling der Grazien hatte auch im Jenseits seinen kaustischen Witz nicht eingebüßt und beantwortete die durch den Psychographen an ihn gestellten Fragen mit so vieler Ironie und solchem Spott, daß man froh war, ihn wieder in sein Grab schicken zu können. Besonders entwickelte der Psychograph eine große Thätigkeit während des Krimkrieges, wo sich hochgestellte Staatsmänner und Diplomaten bei ihm Raths erholten und Herr Hornung selbst eine einflußreiche politische Stellung einnahm. Chgarakteristisch ist das Ende des Herrn Hornung, das durch seinen Aberglauben herbeigeführt wurde. Ein junger Mann, der ihm als Medium diente, machte sich laut Verabredung mit einigen lustigen Gesellen den Scherz, dem Geisterseher einen in der Nähe von Berlin befindlichen Schatz zu verkünden. Sogleich machte sich der getäuschte Hornung in Begleitung eines seiner Freunde und Anhänger auf den Weg, um den Schatz zu heben. Mit Hacke und Schaufel bewaffnet gingen die beiden Schatzgräber um Mitternacht an’s Werk, belauscht von den muthwilligen jungen Leuten, welche mit Hülfe von Knallerbsen und Kanonenschlägen einen Höllenspectakel machten und den Geisterbeschwörern solchen Schreck einjagten, daß sie davonliefen. In Folge der in jener Nacht ausgestandenen Furcht erkrankte der arme Herr Hornung und büßte seinen Aberglauben mit dem Leben.

Ein eigenthümliches und interessantes Licht über diese Geistererscheinungen verbreitet die neueste optische Erfindung eines Engländers Henry Dirks, dem es gelungen ist, Personen oder vielmehr das Bild derselben so erscheinen zu lassen, daß sie ganz wie Gespenster aussehen und denselben schauerlichen Eindruck hervorrufen. Den ersten Versuch in dieser Weise machte der Professor Peper in dem Londoner polytechnischen Institut; bald bemächtigte sich die Bühne der neuen Erfindung, und der speculative Schauspieldirector Laue in Haxton ließ ein besonderes Drama zu diesem Behufe schreiben, worin das Gespenst einer ermordeten Pfarreswittwe ihrem Mörder erscheint. In Paris citirt der bekannte Taschenspieler Robin verschiedene Geistererscheinungen, unter Anderm einen Zuaven, der bei Inkerman gefallen und aus seinem Grabe beim Schalle der gedämpften Trommeln emporsteigt und bleich über das Podium schreitet, indem er mit der Hand auf das Kreuz der Ehrenlegion und auf die klaffende Wunde seiner Brust zeigt. Im Theater Du Chatelet spielen die Gespenster in einem dem Englischen entlehnten Drama. Im letzten Act sieht man einen durch den Mond schwach erleuchteten Wald. Es schlägt Mitternacht; da tritt ein Mann auf, in den blutbefleckten Händen ein Packet Banknoten, die er seinem von ihm ermordeten Herrn geraubt hat. Scheu sieht er sich um, da erblickt er mit Entsetzen wenige Schritte entfernt den Geist seines Opfers. Schaudernd taumelt er zurück, dann stürzt er sich auf das Phantom, welches ein gräßliches Gelächter aufschlägt. Der Mörder stößt nach ihm mit seinem Dolch, und die Gestalt zerfließt vor seinen Augen, um nach wenigen Augenblicken wieder zu erscheinen, diesmal mit einer breiten Wunde unter dem blutigen Hemde. Von Neuem greift der Mörder nach einer Hacke, und dasselbe grauenvolle Schauspiel wiederholt sich noch einmal. Zum Schlusse erscheint ein ganzer Geisterreigen, der den Schuldigen umkreist, biß er sich dem Richter selbst überliefert.

Diese Gespenster sind nichts Anderes, als die Bilder von Personen, die in der ersten Versenkung des Theaters verborgen von einem Spiegelglase ohne Folie reflectirt werden. Stellt man sich nämlich in einem vollkommen dunklen Zimmer vor einen großen vertical angebrachten Spiegel ohne Folie und beleuchtet seine Person mit einer Lampe, so wird man alsbald das eigene Bild auf der entgegengesetzten Seite des Glases erblicken. Wenn sich dann jenseits des Glases andere Personen, z. B. die Schauspieler auf der Bühne, in derselben Entfernung befinden, in welcher man selbst vor dem Spiegel steht, so wird das reflectirte Bild gerade neben oder mitten unter diesen Personen sichtbar werden. Der ganze Apparat besteht demnach aus einem kolossalen Spiegel ohne Folie, der in vertikaler Richtung mit der Rampe des Theaters sich erhebt und auf der Bühne eine schräge Glaswand bildet, welche theils wegen ihrer Durchsichtigkeit, theils wegen der nothwendigen Dunkelheit von den Zuschauern nicht wahrgenommen werden kann. Das Gespenst oder die Gespenster, welche erscheinen sollen, befinden sich in der ersten Versenkung des Podiums, dessen Schieber offen bleiben. Ein intensiver Lichtstrom beleuchtet die Gruppe; derselbe wird durch einen elektrischen Apparat bewerkstelligt, und auf ihm beruht zum größten Theil die Wirkung.

Mit Hülfe dieser Vorrichtung werden die Geistererscheinungen hervorgebracht, und es läßt sich annehmen, daß schon vor dem jetzigen Erfinder die früheren Geisterbeschwörer wie Cagliostro, Schrepfer etc. sich im Besitz ähnlicher Apparate befunden haben. Die neue Erfindung aber liefert die Erklärung zu mancher jener geheimnißvollen Geistererscheinungen, die ohne Ausnahme auf Betrug oder Selbsttäuschung beruhen.



Guarapo. In den südlichen Ländern, wo das Zuckerrohr gedeiht, besonders in Südamerika, Neu-Granada, Ecuador und Peru, bereiten die dortigen Einwohner aus dem Saft des Rohres ein ganz vorzügliches Getränk, das ich schon einmal in meinem „Achtzehn Monate in Südamerika“ genau beschrieben habe. Da aber dieses Buch doch nicht in Jedermanns Händen ist und die Zeit heranrückt, wo unsere deutschen Zuckerpflanzer – die Herren von der Runkelrübe – ihren Zuckersaft gewinnen, so möchte ich die Bereitung desselben hier noch einmal mittheilen. Möglich doch, daß sich ein oder der andere Besitzer einer Zuckerfabrik veranlaßt findet, einen ähnlichen Versuch mit dem Zuckersaft der Rübe zu machen, der aller Wahrscheinlichkeit nach das nämliche Resultat liefern wird.

Das dortige Getränk, Guarapo genannt, hat einen weinsäuerlichen, außerordentlich angenehmen Geschmack, und ich will hier die Bereitung, wie sie in jenen Ländern stattfindet, genau angegeben. Eine Quantität Zuckersaft, gleichviel wie groß und sich natürlich nach den Gefäßen richtend, wird eingekocht, nachdem man zuvor ein Viertheil Wasser dazu gesetzt hat. Beim Kochen muß es gut und viel abgeschäumt werden. Ist das Ganze bis auf die ursprüngliche Quantität Saft (ehe das Viertheil Wasser hinzugethan wurde) eingekocht, so läßt man es abkühlen und gießt es dann in ein irdenes oder hölzernes Gefäß zum Gähren. Das Gefäß wird leicht zugedeckt.

In dem dortigen heißen Klima bedarf der Guarapo drei Tage, bis er seinen Gährungsproceß durchgemacht hat – und ist das Gefäß, in das man ihn schüttet, ein neues, so daß es noch keine Säure angenommen hat, auch wohl noch etwas länger. Hier in Deutschland müßte das freilich erst Alles ausprobirt werden. Süß, mit einem leichten, angenehmen, säuerlichen Geschmack bleibt er dort etwa drei Tage, nachher wird er mehr herbe. Uebrigens berauscht er auch, wenn man zuviel davon trinkt. Die Gefäße, die man dort benutzt, um den Guarapo gähren zu lassen, sind entweder große irdene Urnen bis zu 4 Fuß Höhe, auf die dann blos ein Deckel gelegt wird, oder auch hölzerne, ausgehauene Tröge.

Das ist die ganze einfache Bereitungsart des Guarapo aus Zuckerrohrsaft, und da der Saft der Runkelrübe genau dieselben Eigenschaften hat, nur vielleicht nicht so zuckerhaltig ist, so weiß ich nicht, weshalb man nicht ein eben so gutes Getränk daraus bereiten sollte. Möglich ist nur, daß es hier nicht nöthig würde, soviel Wasser zuzusetzen, wie bei dem Zuckerrohrsafte – vielleicht nur ein Achtel, vielleicht gar keins, um durch das Einkochen das überflüssige Wasser zu entfernen. Jedenfalls müßten das einige Versuche herausstellen, die man je mit verschiedenen kleinen Quantitäten machen könnte.

Ein anderes Lieblingsgetränk der Peruaner ist die sogenannte Mais-Chicha, deren Bereitung aber etwas schwieriger erscheint und in Deutschland schwerlich Nachahmer finden wird. Die Maiskörner werden nämlich von unbeschäftigten Personen (in Peru meist von älteren, achtbaren Frauen) gekaut und dann sorgfältig in einen gemeinschaftlichen Topf gespuckt. Das Ganze wird dann mit Wasser übergossen und, wenn es ausgegohren hat, mit Leidenschaft getrunken. Die Mais-Chicha hat einen herben, bei heißem Wetter aber sehr kühlenden Geschmack, und ich selber habe sie, ehe ich zufällig mit ihrer Bereitungsart bekannt wurde, häufig getrunken. Später aber versagte ich mir diesen Genuß.

Fr. Gerstäcker.



Wie viel wiegt die Luft? das heißt die ganze Atmosphäre, welche die Erde umgiebt? In runder Summe: einmal hundert und zwanzigtausend Billionen Ctr., oder in Ziffern geschrieben: 120,000,000,000,000,000 Ctr.; – und das gewöhnliche Wetterglas ist die Wage, in welcher der obere Quecksilberspiegel die Zunge bedeutet, die uns mit größerer Sicherheit jenes Gewicht angiebt, als sie uns bevorstehende Witterungswechsel vorher verkündet.

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