Seite:Die Gartenlaube (1867) 677.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Der Reichstagsabgeordnete Edler von Mühlfeld.

Vorabend des großen Tages sich in denselben versammelt hatten. Deputationen aus allen großen Hauptstädten waren eingetroffen, so z. B. von Wien eine Anzahl hervorragender Persönlichkeiten, die von der Munificenz ihres bei solchen Gelegenheiten stets mehr als freigebigen Magistrates in die angenehme Lage versetzt waren, bei ihrer Mission die Residenz, welche sie zu vertreten die Ehre hatten, würdig und glänzend zu repräsentiren. Sogar die reiche Dienerschaft des Senats in goldstarrenden Livréen war der Gesandtschaft mitgegeben worden, und jedes Mitglied der letzteren konnte von sich, in Bezug auf seine Stellung im Vaterlande, mit dem Dichter sagen:

„Nennt man die besten Namen,
Ist meiner auch dabei!“

Unter der Wiener Deputation nun machte ein Mann im einfachen schwarzen Frack, in unvermeidlicher weißer Cravatte, ohne Ordenszeichen, bei seinem Eintritt in die glänzende Versammlung sofort das größte Aufsehen. Eine größere Aehnlichkeit mit dem großen Corsen, dessen Niederlage morgen gefeiert werden sollte, konnte sich die kühnste Phantasie nicht denken. „Wer ist der Mann mit dem Napoleonskopfe?“ so fragte man. „Haben Sie die merkwürdige Aehnlichkeit mit dem großen Napoleon gesehen? Ist das nicht staunenswerth? Wunderbar! Wer mag das sein?“

Da ich mit dem berühmten Träger dieser in der That ganz unglaublichen Aehnlichkeit in den Saal getreten war, so wurde die letzte Frage an mich bis zur Unannehmlichkeit wiederholt, so daß ich zuletzt, sobald einer der fragwürdigen Bekannten auf mich zueilte, ihm schon mit der Antwort, mein Begleiter sei der gefeierte Wiener Reichsrath Megerle, Edler von Mühlfeld, Präsident der Advocatenkammer, hochrenommirt als Vertheidiger und Rechtsanwalt etc. etc., sein „sagen Sie mir, wer –“ mitten entzwei schnitt. Durch seine jahrelange Freundschaft beehrt, bin ich vielleicht im Stande, ein ziemlich anschauliches Bild des seltenen Mannes zu skizziren, dessen vortreffliches Portrait hier seine Züge in sprechendster Aehnlichkeit liefert, bemerke aber von vornherein, daß eine eigentliche und eingehende Würdigung seiner politischen Wirksamkeit und Bedeutung hier nicht in meiner Absicht liegt.

„Bitte, lieber Wallner, stellen Sie mich Herrn von Mühlfeld vor; ich frühstücke morgen beim Oberbürgermeister Koch mit ihm und möchte bis dahin gern schon ein alter Bekannter von ihm sein.“ Mit dieser heiteren Einleitung gesellte sich Berthold Auerbach zu uns; in anregendem, ernstem und humoristischem Wechselreden bekamen die Abendstunden Flügel, und beim Scheiden waren Auerbach und Mühlfeld wirklich „alte Bekannte“.

Der folgende Mittag war einer Festlichkeit im Hôtel de Pologne gewidmet, mit den unvermeidlichen Tafelfreuden, unverdaulichen Gerichten und noch ungenießbareren Festreden. Immer lauter wurde das Gewühl in den überfüllten Sälen, immer unverständlicher wurden die Beherrscher der Tribüne; die Menge, in deren Köpfen bereits der bei zahllosen Toasten reichlich genossene feurige Rebensaft zu toben anfing, wurde nachgerade vollständig ungeberdig gegen die Redner, unterbrach oder überschrie dieselben mit wüstem, tobendem Lärm, ja zuletzt wurde jedes neue Opfer der

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 677. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_677.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)