Seite:Die Gartenlaube (1874) 346.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

M. in Rsf. Auch wir haben H. Oßwald wohl gekannt und in ihm einen treuen Kämpfer der Jahre 1848 u. 49 verehrt. Er war aber nicht, wie Sie vermuthen, aus Braunschweig gebürtig, wo er im Jahre 1848 die „Reichszeitung“ redigirte, sondern aus Würtemberg und bis zu seinem dreiundzwanzigsten Jahre Oberlieutenant in einem dortigen Regimente. Dann trat er in die Dienste des Volkes, indem er schriftstellerisch für die Rechte desselben stritt, und griff, als die Feder nicht mehr ausreichte, im Jahre 1849 wieder zum Schwerte. Von der provisorischen Regierung in Baden zum Oberbefehlshaber des die Festung Germersheim beobachtenden Cernirungscorps ernannt, ward er später in dem Gefecht von Durlach verwundet und wanderte nach kurzem Aufenthalte in der Schweiz nach Texas aus, wo er die vielverbreitete und einflußreiche „Texas-Staatszeitung“ gründete, ein Blatt, das in der deutsch-amerikanischen Presse einen hervorragenden Platz einnahm. Noch nicht vierzig Jahre alt, starb er 1859 in San Antonio, von allen Landsleuten wegen seiner vielen liebenswürdigen Eigenschaften und seines trefflichen Charakters viel geliebt und verehrt.

Hoffmann von Fallersleben war es, der damals dem nach Amerika auswandernden Gesinnungsgenossen in einem größern bis jetzt ungedruckten Gedichte einen schönen Abschiedsgruß nachrief, dem wir folgende Verse entnehmen:

Die Freiheit hat Dich groß gezogen,
Sie blieb Dir treu, blieb Dir gewogen.
Sie ward Dein Banner in schlimmen Tagen;
Du hast Dich tapfer für sie geschlagen.
Sie wird Dir sein auf allen Wegen
Dein Wort und Lied, Dein Fluch und Segen.
Du wirst für sie nur leben und kriegen,
Mit ihr nur fallen oder siegen.
Wie unter der Heimath blauem Himmelsbogen,
So auf des unendlichen Weltmeers grünen Wogen
Ist sie Dein Trost, Dein Schutz und Wehr,
Die Freiheit ruft: viel Feind viel Ehr!
 Was willst Du mehr?

Oßwald ruht, wie viele seiner Gesinnungsgenossen, in fremder Erde und hat die von ihm mit so großer Sehnsucht erwartete Auferstehung des deutschen Reiches nicht erlebt. Sein Name aber lebt in dem Gedächtnisse seiner Zeitgenossen fort. Er hat sich ein sicheres Andenken in schwerer Arbeit für das Volk verdient, und das Volk kann wohl eine Zeitlang die Erinnerung an ihre Vorkämpfer durch gewaltige neuere Ereignisse in den Hintergrund drängen – vergessen aber wird es keinen der Wackern aus den glorreichen Jahren der Bewegung, die sich einst für sein Wohl in schwerer Bedrängniß opferten.

M. in M. Vom pädagogischen Standpunkte aus mögen Ihre Angriffe eine Berechtigung haben, im Uebrigen aber schmähen Sie mir die Großmütter nicht! Kennen Sie das reizende Genrebild, auf dem ein kleiner Knabe abgebildet steht, der aus Furcht vor den unausbleiblichen Schlägen weinend auf die Scherben seines Milchtopfes herabsieht und, wie die Unterschrift besagt, von einem mitleidigen Spielcameraden getröstet wird: „Aber Moritz, hast Du denn keine Großmutter?“

Welch ein felsenfester Glaube an die Großmutter und ihre Macht über Alles, was Strafe und Schläge heißt, spricht aus dieser einfachen Kindesfrage! Wer von uns, die wir die sanfte Hand einer Großmama auf dem Lockenkopfe fühlten, erinnert sich nicht mit wehmüthiger Dankbarkeit dieses trauten Familienvermittlers, der für Alles eintrat, wenn ein Gewitter im Anzuge, der das verbotene Lutschen am Finger vertuschte, der stets eine Entschuldigung hatte für zerbrochene Teller oder Fensterscheiben, oder zerrissene Kleider und herausgestotterte Nothlügen? Wer hielt, wenn es mit dem Lernen etwas windig aussah, bei jeder Gelegenheit Magen- oder Kopfschmerzen so bequem bereit, um auf das Mitleid der Eltern zu wirken und den geliebten Enkel vor der drohenden Ruthe hinter dem Spiegel zu schützen? Wessen Arbeitskorb war so gefüllt mit Trost spendenden Biscuitstückchen oder Zuckerstengelchen und Topfkuchen, und wer hatte immer die zum Pferdespiele erforderlichen Leitschnüre, Fußbänkchen und Großmuttersessel bei der Hand, um die Extrapost und den stolzen Kutscher fertig zu machen und sich immer und immer wieder in die improvisirte Kutsche zu setzen und von dem stolzen Enkel fahren zu lassen, Gott weiß wie weit!? Und wer vermochte so niedliche Puppen aus den Abfällen der Nähterin hervorzuzaubern, oder so prächtige Schlitten aus Kartenpapier zu schneiden, oder so niedliche Schiffchen für das Wasser des Springbrunnens oder der Gosse draußen vor dem Hause?

Ach, und wer war es, der zwischen Taglicht und Dunkelwerden so unendlich viele und schöne Geschichten zu erzählen wußte von Rothkäppchen und den Todtenbeinchen mit dem singenden Vogel und von dem schönen Kutscher Hermann mit den weißen Handschuhen und der langen Klatschpeitsche auf dem hohen Kutschenbocke, der Großmutter und Enkelkind hinausfahren sollte auf das Landgut mit den vielen Kühen und Schweinen und den stolzen Pfauhähnen? Wer blieb bei den Kindern immer daheim und war glücklicher dabei als irgend Jemand, wenn Mama und Papa ausgingen, Besuche zu machen oder sich zu amüsiren? Und wer – Gott behüte alle Eltern davor! – wer streckte die kleinen wächsernen Glieder aus für den Sarg, wenn Mama und Papa erblindet von vielem Weinen an dem letzten Ruhebettchen des Lieblings standen und fast vergehen wollten vor Herzeleid? Wer las dann alle die nun nutzlos gewordenen Kleidchen, Schuhchen und Spielzeug zusammen und schaffte sie bei Seite, hinweg aus dem qualvollen Anblicke der schwer geprüften Eltern, bis des Himmels Balsam sich über die wunden Herzen ergossen und sie geheilt hatte? Wer war es?

Schmähen Sie mir die Großmütter nicht!

R. L. in L. Sie sind unzufrieden, verweisen auf „Die zweite Frau“ und beanspruchen mehr Glück in der Liebe, als Sie gefunden. In Ihrem Gatten achten Sie zwar den Ehrenmann, aber Sie vergleichen die glühenden Briefe des Bräutigams mit dem jetzigen ruhigen Wesen des Ehemannes und beschweren sich über Abnahme der Leidenschaft, über kalten Egoismus der Männerwelt. Und sind doch so glücklich, Mutter zu sein! Erlauben Sie, daß ich Ihre Klagen mit den Aussprüchen zweier deutscher Dichter zu beantworten suche. Jean Paul sagt etwas nüchtern, aber jedenfalls richtig: „Wenn das Weib liebt, liebt es in Einem fort – der Mann hat dazwischen zu thun.“ – Und Gustav Freytag fragt in einer seiner erzählenden Dichtungen: „Waren es Deine Thränen oder war es Dein Lachen, womit Du sein Herz umstrickt hast? Ich denke wohl, mit Lächeln begann’s und die Thränen folgten; das ist das Schicksal Aller, welche einander lieb haben auf dieser Erde.“

Hoffnungslos! Nach der Versicherung eines Arztes, der Ihren Brief gelesen, sind Sie durchaus nicht hoffnungslos krank und Ihr Leiden ist nicht gefährlich. Aber lesen Sie keine meist von Beutelschneidern über diese Leiden verfaßten Schriften, sondern suchen Sie Arbeit und Zerstreuung und vor Allem wenden Sie sich vertrauensvoll an einen tüchtigen rationellen Arzt.

C. H. in Santa-Rosa (Californien). Lieber Herr, Sie wünschen den „Entwurf einer Weltsprache“ zu schreiben, und weil Sie sich nicht ganz „tactfest“ fühlen, das Werk selbst zu verfassen und ihre „wackelige“ Gesundheit Ihnen auch nicht erlaubt, nach Leipzig zu reisen, so verlangen Sie, daß ein Mitglied der Redaction nach Santa-Rosa kommen und mit Ihnen das „volksthümliche und epochemachende Buch“ schreiben solle. Muß das gleich sein, verehrter Landsmann? Der Omnibus ist eben abgegangen, und es fehlen der Redaction augenblicklich nur noch einige wenige Stunden Zeit, um die kleine Landpartie mitzumachen.

C. M. A. C. Texas. Ihre liebenswürdigen und wahrhaft rührenden Zeilen habe ich der Wittwe unseres Gerstäcker übersandt, und heute bin ich in der Lage, Ihnen – freilich etwas verspätet – Genaueres über die Ruhestätte des Heimgegangenen mitzutheilen. Wenn auch nicht, wie er so sehnlichst wünschte, im Waldesschatten, so ist er auf dem Braunschweiger Friedhofe doch in der Nähe großer Bäume gebettet, aus deren Zweigen mit jedem Frühjahre der Nachtigallensang tönt, den er, wie alles Vogelgeschmetter, so sehr liebte. Ein Ahornbaum beschattet außerdem seinen Hügel. Ein anderer Wunsch dagegen, den er in seiner „Nacht auf dem Kirchhofe von Valparaiso“ in so rührenden Worten aussprach, ist erfüllt – kein kalter unbeweglicher Steinblock deckt die irdischen Reste des Rastlosen. Eingedenk des von ihm ausgesprochenen Protestes: „Die Erde drückt schon schwer genug, wenn wir Abschied von ihr und alledem nehmen mußten, was uns auf ihr, ach! so unendlich lieb und theuer war“, haben Gatten- und Kindespietät die einfache Marmorplatte mit Namen, Geburts- und Sterbetag zu Füßen des von Epheu überwucherten Hügels placirt und die schlanken hohen Rosenstämmchen, die Gerstäcker im Leben selbst noch täglich gepflegt, an die Seitenlängen des Grabes gepflanzt. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß die Ruhestätte des Braven mit Sorgfalt gehütet und gepflegt wird.

Ihnen aber Tausend Dank für die warme Theilnahme, mit der Sie unseres unvergeßlichen Freundes auch heute noch und aus weiter Ferne gedenken!

Kr. in St. (Böhmen.) Sie wünschen von der Redaction die Angabe von Büchern, deren Inhalt auf die Entwickelung wahrhaft-sittlicher Jünglinge wirken und deren Lectüre ihnen einen Stab durch’s Leben geben könne. Bücher allein, lieber Herr, bilden noch keinen Charakter, noch keinen guten Menschen. Es ist gewißlich wahr: nichts ist roher als die Unwissenheit und nichts macht den Menschen liebenswürdiger als wahres Wissen, aber Herzensbildung wird nur durch Umgang mit wissenschaftlich-hochstehenden und zugleich guten Menschen gefördert. Um Ihren Wunsch annähernd erfüllen zu können, bedarf es indeß vor Allem einer genauen Mittheilung über den Bildungsgrad Ihrer Zöglinge.




Geburtstagsmorgen. (Mit Abbildung, S. 335.) Wozu noch viel der Worte? Unser sprechendes Bild erklärt sich selbst. Das Geburtstagskind liegt noch tief in den Federn. Aber mit dem ersten Sonnenstrahle, da die junge fröhliche Mutter kaum das Geburtstagstischlein geschmückt hatte, hat die Frau Pathe – die prächtige Alte thut’s nicht anders – sich aufgemacht, ist durch die stillen Gassen des Dorfes leise dahergekommen – und nun ist sie da, das derbe Pferdchen von Sonneberg oder Nürnberg unter der reinlichen Schürze. Glücklich das Kind, das so eine Pathe hat!




Berichtigungen. In einem kleinem Theile der Auflage unserer Nr. 19 haben sich zwei Druckfehler eingeschlichen. Es ist dort in dem Artikel „Zur Naturgeschichte des deutschen Komödianten“ in der Anmerkung auf Seite 307 nicht zu lesen: Generalintendant von Röder, sondern Generalintendant von Redern und ferner an allen betreffenden Stellen des Aufsatzes nicht Brenicke, sondern: Warnicke. – Uebrigens gehen uns von mehreren Seiten Mittheilungen zu, welche diesem Artikel tiefer greifende Unrichtigkeiten nachweisen. Wir werden daher in einer der nächsten Nummern noch einmal auf denselben zurückkommen.

Bekanntlich wird die Gartenlaube vier- auch fünfmal gesetzt. Es leuchtet ein, daß in Folge dessen die Chancen für Druckfehler in unserer Zeitschrift verhältnißmäßig größere sind als in solchen Blättern, welche nur einmal gesetzt werden. So ist denn auch in einem sehr kleinen Theil (in etwa fünftausend Exemplaren) der Auflage unserer Nr. 20 ein Setzerfehler übersehen worden, den wir hiermit berichtigen: Es ist nämlich Seite 318 in dem Goethe’schen Gedichte „Der Goldschmiedsgesell“ Strophe 3 statt: „Und feilt und wirbt“ zu lesen: „Und feilscht und wirbt“.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_346.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)