Seite:Die Gartenlaube (1878) 395.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Worten, als Aufnahme-Telephon wirkte, um so empfindlicher erwies er sich dadurch für die Schallschwingungen, die auf ihn wirkten. Hughes fand zunächst, daß lose zusammenhängende Metallmassen, z. B. in eine Glasröhre eingeschlossene Metallfeilspähne oder Schrotkörner u. dergl., so lange ihre Oberfläche ohne Rost war, sehr empfänglich waren; sie konnten vermöge ihrer Fähigkeit, mit den Tonschwingungen ihr Leitungsvermögen zu ändern, recht gut als Aufnahms-Telephone dienen, und man ersieht daraus, daß die äußeren Bewegungen der Telephon-Platte jedenfalls nur einen Theil der Gesammtwirkung ausmachen.

Noch vorzüglicher als die feinzertheilten Metalle erwies sich poröse Kohle, welche obendrein den Vorzug besitzt, nicht durch Rosten ihre Leitungsfähigkeit einzubüßen, aber die merkwürdigsten Resultate erhielt der Entdecker bei einer Verbindung von Kohlen- und Metalltheilchen. Er nahm ein Stückchen Weidenholzkohle, wie es die Künstler zum Entwerfen ihrer Kohlenskizzen brauchen, erhitzte es allmählich bis zur Weißgluth und tauchte es dann plötzlich in Quecksilber ein. Die durch die plötzliche Abkühlung entstehenden luftleeren Räume in den Poren der Holzkohle füllen sich hierbei mit zahllosen mikroskopisch kleinen Quecksilberkügelchen und stellen dann einen im höchsten Grade schallempfindlichen Elektricitätsleiter dar. In ähnlicher Weise konnten Stückchen von Weiden- oder Fichtenholzkohle, die an sich den elektrischen Strom nicht leiten, dadurch, daß sie mit Eisen- oder Zinkdämpfen imprägnirt wurden, oder durch chemische Niederschlagungen von metallischem Platin auf ihre Porenwandungen in äußerst schallempfindliche Leiter verwandelt werden.

Eine Anzahl solcher metallisirten Stücken von Holz- oder Gaskohle werden mit schrägen Berührungsflächen an einander gepreßt, sodaß sie einen länglichen Stab bilden, dessen beide Enden mit breit aufliegenden Metallbeschlägen versehen werden, auf denen man die beiden Leitungsdraht-Enden befestigt. Dies ist der wesentliche Theil des mithin höchst einfachen, von einer Glasröhre umschlossenen Mikrophons. Ein der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu London vorgelegter Apparat dieser Art, welcher sehr erstaunliche Wirkungen ergab, bestand aus sechs derartigen Kohlenstückchen, welche in einer Glasröhre von zwei Zoll Länge und einem viertel Zoll Durchmesser an einander gepreßt waren. „Es war ein Anblick,“ erzählt ein Augenzeuge, „schon allein des Sehens werth, als der berühmte Professor „Huxley“ dieses Röhrchen in die Hand nahm und feierlich eine Ansprache an dasselbe richtete, die an einem damit verbundenen anderwärts aufgestellten Telephone deutlich verstanden wurde.“ Damit erklärt sich auch, daß man Empfangs-Telephone wirksam fand, deren Schallplatten so dick genommen waren, daß sie kaum merklich schwingen konnten, und die in dem früheren Artikel erwähnte Wirksamkeit der Graphitmasse, die als eine metallisirte Kohle betrachtet werden kann. Die durch das Mitschwingen der Masse veranlaßten inneren Bewegungen der kleinsten Theile, welche man sich als wellenförmige Verdichtungen und Dehnungen vorstellen kann, ändern eben mit jeder Schwingung die Durchlassungsfähigkeit für den elektrischen Strom, sodaß dessen Stärke genau in gleichem Verhältnisse an- und abschwellen muß, und also auch den Ton im entfernten Telephone wiedererzeugen kann.

Da man hierbei an Stelle der äußerst schwachen magnet-elektrischen Ströme des Bell’schen Telephons starke Batterieströme anwenden kann, so darf die Leitung viel weiter ausgedehnt werden, als bei jenem, und so kann man, wie Professor Hughes sagt, mittelst seines Mikrophons leicht auf eine Entfernung von hundert Meilen das Ticken einer kleinen Taschenuhr oder das Fallen einer Stecknadel hören. Aber sogar Töne, die zu schwach sind, um überhaupt unmittelbar auf unser Ohr zu wirken, sind im Stande, die Leitungsfähigkeit der metallisirten Kohle derartig zu beeinflussen, daß jene Töne im Telephone erheblich verstärkt wiederklingen, und an diesen Umstand knüpft sich eben das höhere Interesse der vorliegenden Entdeckung. Wir haben schon erwähnt, daß man den Spazierschritt einer Fliege auf einer Glasfläche auf ähnlich große Entfernungen deutlich in dem Telephone vernimmt. Wenn man mit einem feinen Kameelhaarpinsel über eine glatte Holzfläche, die mit dem Apparate in Berührung war, hinfuhr, so erregte dieses dem Ohre unmittelbar nicht vernehmbare Geräusch in dem verbundenen Telephone ein so heftiges Geknister, daß es dem daran gehaltenen Ohre geradezu empfindlich wurde.

Wenn solche Ergebnisse mit einem erst vor wenigen Wochen erfundenen Apparate erzielt werden, so hat man wohl ein Recht, von einer noch weiter getriebenen Empfindlichkeit derselben das Außerordentlichste zu erwarten. Thiere, die bisher stumm schienen, weil unser Gehör nicht empfindlich genug für ihre Laute ist, wie jene Bienenameisen, von denen früher in der „Gartenlaube“ (1875, S. 789) berichtet wurde, werden künftig vielleicht nicht mehr blos zu unserem Auge, welches die leisen Bewegungen der Stimmwerkzeuge wahrnimmt, sondern auch zum Ohre sprechen. Und wer weiß, ob nicht auch die Pflanzen ihre Stimme erheben werden, ob wir nicht in ihnen ebenso den Lebenspuls vernehmen können, wie in den menschlichen Adern, und ob das Mikrophon uns nicht Auskunft geben kann über krankhafte Bildungen in unserem eigenen Körper, hinsichtlich deren die Horchinstrumente der Aerzte bisher nicht ausreichten. Der Herzschlag einer Person läßt sich mit Leichtigkeit mittelst des Mikrophons aus beliebiger Ferne belauschen, und ebenso ohne Zweifel auch die Ader- und Lungengeräusche, sodaß hier die Möglichkeit einer ärztlichen Untersuchung aus weiter Ferne gegeben wäre.

Ja, es dürfte nicht undenkbar erscheinen, daß für das Mikrophon auch die Steine und Krystalle ihr bisheriges Stummsein aufgeben, wenn ihre kleinsten Theile langsamere Bewegungen vollführen, z. B. bei chemischen Einwirkungen, vergleichbar jenen schon dem unbewaffneten Ohr vernehmbaren Tönen des Eisenstabes beim Magnetisiren, von denen in dem Telephon-Artikel die Rede war. Freilich dürfen wir unsere Erwartungen nicht zu hoch spannen und etwa verlangen, in Zukunft auch die Wärme- oder Lichtschwingungen zu hören, den es handelt sich hier nur um die Verstärkung von Geräuschen, nicht aber um die Erhöhung der Empfindlichkeit unseres Ohres, die eine sehr begrenzte ist, wie wir vor Kurzem an den Experimente mit den singenden Flammen („Gartenlaube“ 1877, S. 732.) erfahren haben.

Schwingungen, die durch ihre allzu große Geschwindigkeit die obere Empfänglichkeitsgrenze unseres Gehörs übersteigen, werden wir auch mittelst des Mikrophons nicht hörbar machen, und deshalb werden wir auch von den Thierstimmen nur die leisen, nicht die für ihr eigenes Ohr sehr lauten, aber für uns zu hoch liegenden Töne vernehmen. Immerhin bleibt für das neue Erweiterungsmittel unserer sinnlichen Wahrnehmung ein weites Feld der Wirksamkeit, und die Bedeutung dieser Entdeckung für Theorie und Praxis ist vorläufig gar nicht zu übersehen.

Carus Sterne.


Zwei Lehrer der Freiheit und der Menschenrechte.
1. Voltaire.
(Schluß.)


Zu der in der letzten Nummer geschilderten Höhe und Bedeutung, die in mancher Hinsicht als wirkliche Größe bezeichnet werden kann, hatte die Kraft Voltaire’s nach seiner Rückkehr aus England in einem zunächst sehr unstäten und umhergehetzten Flüchtlingsleben sich aufgeschwungen. Wenn ihn der französische Hof auch später hin und wieder auszeichnete, ihm die einträglichen Ehrentitel eines Kammerherrn und eines Historiographen von Frankreich verlieh, so ließ doch diese Gunst lange auf sich warten und konnte auch nur eine vorübergehende sein. Vorherrschend blieb vielmehr in den höchsten Kreisen eine erbitterte Stimmung gegen ihn, die ihn Paris selbst dann meiden ließ, wenn er nicht durch directe Ausweisungsbefehle zu einem Fernbleiben gezwungen war. In der genannten Zeit lebte er bald in Rouen, bald in Holland, bald öffneten sich ihm die Landsitze und Schlösser seiner aristokratischen Freunde und Freundinnen als behagliche Asyle. Verschiedene Herzensbeziehungen seiner Jugend

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_395.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)