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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Dazu muß auch die Töpferkunst mithelfen. So setzt man z. B. oberhalb der Täfelung, rings um das Zimmer, einen Fries von farbigen emaillirten Fliesen in holländischen, blau und weißen Mustern, in orientalischen, wie man sie noch in der Alhambra sieht, in englischen oder französischen. Die Büffets stattet man mit Krügen aus, mit alten Gläsern verschiedener Formen, vornehmlich aber mit großen Schauplatten von gebranntem emaillirtem Thone, die mit biblischen oder mit mythologischen Gegenständen bemalt sind.

Für diese Schaustücke, mit denen man die Wände der Speisesäle schmückt, da stilgerechter Weise in einem Speisezimmer kein anderes Bild angebracht werden soll als etwa ein Stillleben, sind die alten Majolicaplatten Norm geworden, die ihren Namen von der Insel Majorca haben, wo sie in vorzüglicher Schönheit gefertigt wurden. Bekanntlich sind sie nur in drei Farben gemalt, in blau, gelb und grün. Es geht die Sage, daß Raphael, in Urbino in Liebe zu einer Töpfertochter entbrannt, in der Werkstätte des Vaters die Platten und Gefäße bemalt habe, um so der Geliebten immer nah sein zu können. Da aber die Originale dieser Art nur noch von Museen und Millionären bezahlt werden können, so ist Herr Fleischmann dem künstlerischen Bedürfnisse der Zeit dadurch entgegengekommen, daß er versucht hat, die alten Modelle der Töpferkunst in Platten, in Tellern, Gefäßen, Consolen nachzuahmen. Die reichen Nürnberger Sammlungen, auch die des Nationalmuseums in München, boten ihm eine Fülle der herrlichsten Originale, darunter welche nach Zeichnungen von Behaim, von Bernhard Palissy, von Luca della Robbia.

Die Ausstellung all dieser Gegenstände in einem andern Saale des Erdgeschosses des älteren, nach der Straße gelegenen Gebäudes liefert den Beweis, wie nahe die Nachbildungen den Vorbildern gekommen sind. Einzelne Stücke sind von vollendeter Technik. Es muß bemerkt werden, daß man es hier mit keinem Fabriketablissement zu thun hat, sondern mit einer Kunstanstalt, wo jedes einzelne Stück unter liebevoll bildender Menschenhand reift. Ganze Rüstungen, Waffen aller Art finden in den Werkstätten der Anstalt die geschicktesten Nachbildner, welche den Copien in der täuschendsten Weise den Charakter der betreffenden Zeit zu verleihen wissen.

Wir haben aber lange noch nicht das Schönste gesehen. Das ist, wenn wir die schmale steinerne Wendeltreppe empor gehen, der lange, die ganze Breite des steinernen Gebäudes durchmessende Saal, der weite Raum, in welchem einst Herr Tucher die Genossen seiner Jagdvergnügungen beim frohen Mahle versammelt hatte. Wir vergessen beim Betreten dieses bis in das geringste Ornament ganz im Geschmacke und Stile des sechszehnten Jahrhunderts gehaltenen Saales, wir vergessen, sag’ ich, daß wir eine Stunde vorher im Correspondenten von und für Deutschland eine Kammerrede des Fürsten Bismarck gelesen haben – wir sind hier im sechszehnten Jahrhundert.

Wir sitzen auf dem Luther-Stuhle, von welchem das Germanische Museum das Original besitzt, an einer wunderbar schönen, in Holzarabesken eingelegten Tafel, von dem das Original sich ebendaselbst befindet; wir hören Wilibald Pirkhaimer mit seinem Freunde Tucher, dem regierenden Bürgermeister, von den religiösen Wirrnissen der Zeit sprechen, von seinem Freunde Melanchthon, vom Bauernkriege, der damaligen socialdemokratischen Erhebung; wir trinken aus den getriebenen Silbergefäßen der Zeit; wir essen mit Bestecken, wie sie in jener Geschichtsperiode gebräuchlich waren; wir putzen das Licht auf dem getriebenen Eisenleuchter sogar mit einer Lichtscheere, deren Modell vor 300 Jahren in Nürnberg angefertigt wurde. Wenn man vom Mahle aufsteht und die Servietten mit roth und blau gestickten Rändern aus der Hand läßt, dann werden Einem freilich keine blauen Gläser vorgesetzt, um den Mund zu spülen. Das sechszehnte Jahrhundert hat das viel besser verstanden. Dieser in Holz prachtvoll eingelegte Waschtisch an der linken Seite der Thür ist für die Gäste bestimmt, die sich vom Tische erheben. Die Sache geht so viel reinlicher und appetitlicher zu, als an den modernen Tafeln, wo Jeder zusehen muß, wie der Andere Toilette macht.

Das sechszehnte Jahrhundert hat in dieser bis auf das geringste Detail durch das moderne Handwerk nachgeahmten Einrichtung sein Spiegelbild erhalten; die ganze Heimlichkeit und Traulichkeit deutschen Familienlebens aus dieser Zeit drängt sich einem mit anheimelndem Zauber in’s Gemüth.

Schritt für Schritt, in langsamer, steter Vervollkommnung, ist Herr Fleischmann durch unablässiges Bemühen, durch das aufmerksame Hinauslauschen auf das Bedürfniß und den Geschmack der Zeit, und durch große Opfer auf diese Höhe des Kunsthandwerkes gelangt. Jetzt arbeitet er in Silber, in jedem Metalle, in eingelegten Arbeiten, in Thon und Email – und mit Papiermaché hat sein Vater vor ungefähr achtundvierzig Jahren in Nürnberg in demselben Hause angefangen. Als Urkunden der ersten Thätigkeit des Geschäftes sind Proben der Erzeugnisse damaliger Zeit in einem besonderen Zimmer des Hauses aufbewahrt. Es sind Puppenköpfe, Spielwaaren und Figuren. Von da ging es zur Nachahmung sämmtlicher Obstarten für wissenschaftliche Zwecke, ebenfalls in Papiermaché, und so weiter zur Nachbildung anatomischer und pathologischer Präparate, namentlich menschlicher Knochentheile und Skelete aus demselben Material. Für Akademien und Lehranstalten wurden diese als Lehrgegenstände benutzt und brachten den Erzeuger in lebhaftesten Verkehr mit den ersten Größen der Wissenschaft, von denen er die anerkennendsten Zeugnisse erhalten.

So ist das Jagdschloß, das einstens nur dem Genusse und der Freude des Lebens geweiht war, eine deutsche Werkstätte geworden, in deren Producten der bewährte Kunstfleiß der alten fränkischen Reichsstadt und das deutsche Kunsthandwerk den Kampf mit den verwandten Erzeugnissen des Auslandes siegreich aufgenommen hat.





Neuestes zur Feuerbestattungsfrage.


Trüb und düster schaute der Himmel darein, als ich am 10. December vorigen Jahres nach Gotha fuhr, um dort einer „Feuerbestattung“ beizuwohnen – seit Jahrhunderten der ersten in Deutschland, welche keine bloß ausnahmsweise geduldete, sondern eine gesetzlich erlaubte war. Sinnend verfolgte ich das Spiel der tanzenden Schneeflocken, mit denen der Himmel Blumen auf den Sarg eines mir befreundeten braven Mannes zu streuen schien, welcher, durch mich angeregt und als Mitglied des Gothaer „Vereins für Leichenverbrennung“, einer der eifrigsten Förderer der Wiedereinführung der Feuerbestattung war. Noch sehe ich seine hünenhafte Gestalt vor mir, wie er, ein zweiter Andreas Hofer, seinen geliebten Stutzen in den Arm nahm und aus breiter Brust die weithin tönende Rede zum Lobe des fröhlichen Schützenwerkes erschallen ließ. Allzu früh war er heimgegangen, der immer ein Bild des frischen Lebens und der heiteren Thatenlust gewesen; zaglos blickte er dem Tode entgegen, als er sich ausbat, daß mit seinen Resten die Reihe der Feuerbestattungen begonnen werde. Da aber bei seinem im November erfolgten Tode die betreffenden Einrichtungen noch nicht vollendet waren, so wurde seine Leiche vorläufig unter der Erbe beigesetzt und nach Möglichkeit durch Einbalsamiren erhalten. So war denn seltsamer Weise die Bestattung des Ingenieur Stier eine dreifache: außer dem Vergraben der Leiche in die Erde wurden die beiden größten Gegensätze der Einbalsamirung und der möglichst schnellen Zerstörung durch Verbrennen in Ausführung gebracht. Aegypten und die Neuzeit im unmittelbaren Wechsel!

Ich ließ auf dem Wege nach Gotha die Entwickelung der Feuerbestattungsfrage während der letzten Jahre an mir vorüber gehen. Als ich, von der Wiener Weltausstellung heimkehrend, in Folge der dort gesehenen ungenügenden Proben und Versuche zu einer besseren und würdigeren Form der Feuerbestattung anzuregen mich bemühte, wurde ich freudig überrascht durch zahlreiche Zustimmungen aus den Kreisen Gebildeter. Schwierig war es mir erschienen, an einem allgemein verbreiteten Volksgebrauche zu rütteln, welcher für Viele durch das Alter seines Bestehens geheiligt war; nur zaghaft that ich die ersten Schritte zur Förderung der Angelegenheit.

Seit ich im Mai 1874 (in Nr. 19 der „Gartenlaube“) zum

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_047.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)