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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

antwortete am 4. Mai 1612 in einem langen Schreiben, in welchem er bemerkte, daß er dieselben Beobachtungen bereits vor achtzehn Monaten gemacht und sie verschiedenen Freunden mitgetheilt habe.

Wenn nun auch kein triftiger Grund vorhanden ist, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln, so ist Galilei auf die Wichtigkeit seiner Entdeckung doch erst durch die Forschungen Scheiners aufmerksam geworden. Uebrigens erkannte er sofort mit dem ihm eigenthümlichen Scharfsinn die Unrichtigkeit in der Ansicht des letzteren, daß die Flecken von Körpern herrührten, welche sich in sehr engen Kreisen um die Sonne bewegten; er hielt sie vielmehr von Anfang an wegen der verschiedenen Gestalten, die sie annehmen, für wolkenartige Gebilde, die vermöge ihrer verschiedenen Dichtigkeit mehr oder weniger imstande seien, das Licht der Sonne zu trüben – eine Auffassung, die den modernen Anschauungen viel näher kommt als irgend eine andre der damaligen Zeit. Scheiner gab die Unrichtigkeit seiner Ansicht über die Natur der Sonnenflecken sehr bald zu, über die Priorität ihrer Entdeckung aber entspann sich zwischen den beiden Astronomen ein fast zwei Jahrzehnte dauernder Streit, der nur die eine gute Wirkung hatte, daß er lange Zeit die Sonnenflecken in den Vordergrund des Interesses rückte und zwei Werke der beiden Gegner entstehen ließ, die ein wichtiges Material von Beobachtungen enthalten. Merkwürdig ist dabei, daß der eigentliche Entdecker der Flecken, J. Fabricius, von keinem der beiden Nebenbuhler auch nur mit einem Worte erwähnt wird.

Trotz der vorgeschrittenen Ansicht Galileis über die Natur der Sonnenflecken erhielt sich bei seinen Zeitgenossen und auch noch lange nach ihm die ursprüngliche Auffassung Scheiners, daß man es mit Gestirnen zu thun habe, welche die Sonne umkreisten. Ja der Niederländer Malapertius schlug sogar vor, dieselben „österreichische Gestirne“ zu nennen, während ihnen der Franzose Tardé den Namen „bourbonische Gestirne“ beilegte. Andere sahen in den Sonnenflecken eine Art Schlacken, welche bei dem großen Sonnenbrande abgesondert und dann zuweilen als Kometen ausgeworfen würden, damit die Sonne, wie z. B. Simon Marius meinte, „wie ein gebutzt Kerzenlicht wieder heller leuchten könne.“

Von der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts bis gegen Ende desselben erlahmte allmählich das Interesse an den Sonnenflecken, und wenn sie auch noch von einzelnen beobachtet wurden, so ist uns doch aus dieser Zeit wenig werthvolles Material überliefert. Es scheint eben, daß die Astronomen von damals glaubten, das Ihrige gethan zu haben, wenn sie die Größe und Gestalt der Flecken, ihre Lage auf zwei schmalen zu beiden Seiten des Sonnenäquators verlaufenden Zonen – die übrigens schon Scheiner kannte – feststellten, die Bewegungen der Flecken nachwiesen und daraus die Umdrehungszeit der Sonne berechneten.

Ein Wendepunkt in der Geschichte der Sonnenflecken trat mit dem Jahre 1769 ein, als der englische Astronom Wilson am 22. November bemerkte, daß die Flecken, wenn sie sich in der Mitte der Sonne befinden, zuweilen einen Halbschatten, einen „Hof“, aufweisen, der ihren dunkeln Kern kranzartig umgiebt. Wilson beobachtete am genannten Tage einen großen Flecken und verfolgte ihn bei seiner Bewegung um die Sonne, wobei er bemerkte, daß, je weiter derselbe von der Mitte der Sonnenscheibe gegen den rechten Rand zu rückte, desto mehr der Halbschatten auf der linken Seite des Fleckens verschwand und der schwarze Kern vortrat. Daraus schloß er sofort, daß die Flecken aus tiefen kraterartigen Höhlungen der die Sonne umgebenden glühenden Gasmassen beständen, und er bewies seine Ansicht in einer 1774 erschienenen Schrift durch die zwingendsten Gründe. Allerdings hatte er auch hierin schon, ohne es zu wissen, Scheiner und Leonhard Rost zu Vorgängern, von denen ersterer bereits den Halbschatten entdeckt und letzterer die Sonnenflecken als tiefe Abgründe bezeichnet und sie mit Sonnenvulkanen in Verbindung gebracht hatte, ohne jedoch seine Annahme begründen zu können.

An diese wichtige Entdeckung Wilsons anschließend, begann der geniale Wilhelm Herschel (geb. 1738 zu Hannover, gest. 1822 zu Slough) mit den von ihm selbst gefertigten riesigen Spiegelteleskopen die Untersuchung des Sonnenkörpers. Er kam zu dem Ergebniß, daß die Sonne ein dunkler mit einer durchsichtigen Atmosphäre umgebener Körper sei, auf welcher eine wolkenartige Lichtsphäre (Photosphäre) schwimme. In dieser Lichthülle entstehen zuweilen durch Strömungen von unten nach oben trichterförmige Oeffnungen, und das seien die Sonnenflecken. Der schwarze Kern aber sei der durch eine solche Oeffnung sichtbare Theil des dunklen Sonnenkörpers. Herschel hat seine Ansichten und Entdeckungen, bei denen er, wie immer, seinen eigenen Weg gegangen war, in zwei großen Abhandlungen niedergelegt, die er 1795 und 1801 erscheinen ließ. Lange Zeit blieb dann auch seine Hypothese über das Wesen des Sonnenkörpers die herrschende, da sich alle bis dahin bekannten Erscheinungen damit aufs beste erklären ließen.

Ein vollständiger Umschwung fand jedoch statt, als man die Entdeckung machte, daß die Sonnenflecken in gewissen regelmäßigen Fristen, also „periodisch“, auftraten. Wohl findet sich schon bei einigen Astronomen älterer Zeit eine Ahnung davon, daß die Flecken periodisch sich zeigen: so schrieb Kircher 1639 aus Rom, daß er die Sonne mit sehr vielen Flecken bedeckt gesehen habe und daß eine solche Erscheinung in hundert Jahren kaum drei- oder viermal vorkomme, und ein andrer, Horrebow, giebt 1776 an, daß die Veränderungen der Sonnenflecken häufige seien, daß sich jedoch keine bestimmte Regel dafür finden lasse, nach welcher Ordnung und nach wieviel Jahren dieser Wechsel sich vollziehe; er spricht jedoch die Hoffnung aus, daß man durch eifriges Beobachten schließlich auch hier eine Periode werde bestimmen können.

Dies gelang, als Schwabe in Dessau 1826 seine Beobachtungen begann. Dieser Gelehrte setzte seine Arbeit mit Ausdauer und Umsicht bis in die neuere Zeit fort und konnte am 31. Dezember 1843 aus seinen Tabellen den bestimmten Nachweis führen, daß während der Dauer seiner Beobachtungen ein regelmäßiger Wechsel in der Häufigkeit der Sonnenflecken stattgefunden habe, und zwar in der Weise, daß einer fleckenarmen Zeit (Minimum) nach etwa fünf Jahren eine fleckenreiche (Maximum) und dieser nach weiteren fünf Jahren wieder eine fleckenarme folgte, also im ganzen eine Periode von etwa zehn Jahren sich bemerkbar mache.

Diese Zeitangabe fand eine nähere Bestimmung durch eine Entdeckung, welche zu den merkwürdigsten unsres Jahrhunderts zählt und zum ersten Male einen Zusammenhang zwischen den Veränderungen in dem Zustand des Sonnenkörpers und den physikalischen Vorgängen auf unserem Erdplaneten erkennen ließ. Der englische General Sabine, R. Wolf in Zürich und Gautier in Genf fanden nämlich fast gleichzeitig im Jahre 1852, daß zwischen der von Schwabe aufgestellten Sonnenfleckenperiode und der Periode, welche die Schwingungen der Magnetnadel aufweisen, eine merkwürdige Uebereinstimmung herrsche. Genaue Beobachtungen hatten nämlich ergeben, daß eine Magnetnadel, deren Stellung bekanntlich eine gewisse Abweichung (Deklination) von der genauen Richtung nach Norden zeigt, täglichen Schwankungen in der Weise unterworfen ist, daß sie zwischen 8 und 9 Uhr morgens ihren östlichsten Stand besitzt, sich sodann bis 2 Uhr nachmittags nach Westen bewegt und bis zum nächsten Morgen wieder in die ursprüngliche Lage zurückkehrt. Den Unterschied der beiden äußersten Standpunkte der Nadel an einem Tage nennt man ihre „Variation“, und man weiß schon seit längerer Zeit, daß dieselbe im Sommer größer ist als im Winter. Durch Zusammenstellung eines größeren Beobachtungsmaterials gelang es nun dem Münchener Astronomen Lamont im Winter 1851/52, eine beiläufig zehnjährige Periode in diesen Schwankungen der Variation der Magnetnadel nachzuweisen, während die drei obengenannten Forscher unter Benutzung dieses Ergebnisses zeigten, daß die Zeitpunkte der größten und kleinsten Variationen mit den Maxima und Minima der Sonnenflecken so vollständig zusammenfielen, daß eine gegenseitige Beziehung der beiden Erscheinungen außer Zweifel war. Wolfs ausschließliches Verdienst aber ist es, durch ein mehr als drei Jahrhunderte umfassendes Beobachtungsmaterial die Länge beider Perioden auf die Dauer von 111/9 Jahren näher bestimmt zu haben, ja es gelang ihm mit einer aus den Beobachtungen der Sonnenflecken gezogenen mathematischen Formel die magnetischen Variationen für spätere Jahre genau vorauszuberechnen, gewiß ein Beweis für den inneren Zusammenhang beider, wie man ihn nicht schöner wünschen kann.

Nachdem nun einmal die Einwirkung der Sonnenflecken auf die Magnetnadel erkannt war, lag es nahe, auch andere Erscheinungen, welche die Variationen der Nadel beeinflussen, in ihrem Zusammenhang mit den Veränderungen des Sonnenkörpers zu betrachten. So kam es, daß man vor allem dem noch immer rätselhaften Schauspiel des Nordlichtes, welches, wie schon Mairan 1733 dargethan hatte, die Magnetnadel in unruhige Schwingungen versetzt, größere Aufmerksamkeit schenkte; und es ist namentlich der im Mai 1863 beginnenden unermüdlichen Thätigkeit des

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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_210.jpg&oldid=- (Version vom 6.4.2024)