Seite:Die Goldkarawane.pdf/180

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er nach wie vor behauptete, sie sei das Ziel unseres Marsches und der Dschebel el Tit könne nicht mehr fern sein. Ich vermutete wohl mit Recht, daß gerade die Nähe des Berges der Quellen in ihm allerhand trübe Erinnerungen an jenes furchtbare Gemetzel erweckt habe, dem er als Zuschauer beigewohnt hatte und das von ihm, was er wohl nie verwinden würde, nicht verhindert worden war.

Obwohl ich zwei Stunden in den Bergen umherkletterte, entdeckte ich die Giraffen nicht. Ich hatte doch wohl die Richtung verfehlt und war zu weit nach Süden geraten, bereits mitten hinein in die Felswildnis dieser riesigen Steinblöcke, die hier stellenweise zu geradezu phantastischen Gebilden durch eine Laune der Natur aufgehäuft waren.

Die Mondsichel, die bis dahin meinen streckenweise recht gefährlichen Weg beleuchtet hatte, verschwand nun zu meinem Pech hinter Wolkenschleier, so daß ich in der Dunkelheit mich vollends verirrte und nach zwei weiteren Stunden ziemlich erschöpft in einer Schlucht den Morgen abzuwarten beschloß. Es war recht kalt in dieser Nacht. Ich schätzte auf höchstens drei Grad Wärme. Ohne Decke und durchhitzt wie ich war, wagte ich jedoch zunächst nicht, mich in irgend einem geschützten Winkel niederzusetzen, ging vielmehr langsam in der Schlucht auf und ab, um mich abzukühlen. Ich spürte sehr bald eine bleierne Müdigkeit, die hier oben durch die an sich schon dünne Wüstenluft noch verstärkt wurde. Jeder dürfte diesen Zustand des Halbschlafs kennen, in den uns gegenüber einer nicht mehr zu überwindenden Müdigkeit unsere bis aufs äußerste gesteigerte Energie, die Augen offen zu behalten und munter zu bleiben, bringt. In diesem gedankenlosen Hindämmern zwischen Wirklichkeit und schnell auftauchenden und ebenso schnell wieder verschwindenden Traumszenen drängte sich mir plötzlich die Vorstellung auf, ich hätte fest geschlafen und wäre

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Walther Kabel: Die Goldkarawane. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Goldkarawane.pdf/180&oldid=- (Version vom 31.7.2018)