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merkte ich, wie meine Arme und Beine steif wurden, schwer wie Blei, wie leichte Krampfanfälle die Muskeln spannten.

Neues Entsetzen packte mich! Wollte das Schicksal etwa hier einen grausamen Scherz mit mir treiben?! Sollte ich nun nach dieser kurzen Zeitspanne sicheren Hoffens elendiglich ertrinken angesichts der lockenden Sonnenstrahlen dort oben drei Meter über mir?!

Die Mauer hatte tiefe Fugen. Ich suchte mich mit den Fingerspitzen und den Spitzen meiner Stiefel daran festzuhalten. Eine Weile ging’s. Dann wieder die Krämpfe infolge der Anspannung aller Muskeln. Und jetzt zogen sie sich bis in die Oberschenkel hinauf. Jetzt war’s, als hingen an meinen Füßen Zentner! Kalter Schweiß brach mir aus allen Poren, Sternchen sprühten vor meinem sich verdunkelnden Blick – ein ganzes Feuerwerk.

Noch ein letzter Schrei; schrill erreichte er mein Ohr wie der Ton einer reißenden Violinsaite. Ich versank, verlor die Besinnung.

Mir war’s, als ginge es endlos tief hinab mit unheimlicher Schnelligkeit. Dann ward es hell um mich her. Irgend ein Fabelwesen, ein Wasserbewohner beugte sich über mich, hob meine Arme, senkte sie taktmäßig, drückte sie gegen den Brustkorb.

Und nun hörte ich auch eine Stimme. Der Traumzustand ging in die Wirklichkeit über.

„Sidi, – ich bin’s, Ibrahim!“ So rief die Stimme. Da wurde ich mir bewußt, daß ich die Augen offen hatte, daß ich irgendwo auf weichem Boden lag, daß Ibrahim mit mir Wiederbelebungsversuche anstellte.

Fünf Minuten später saß ich aufrecht auf dem kleinen Hofraum eines verfallenen Gehöftes. Vor mir ragte der Brunnenrand empor. Der morsche Deckel lag daneben und aus dem Loche schaute der obere Teil einer alten grünbemoosten Leiter heraus.

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Walther Kabel: Die Goldkarawane. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Goldkarawane.pdf/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)