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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

einigen Gelegenheiten bemerkte, schien mir besonders schön und liebreich zu sein, wie zwischen guten Töchtern und Vätern.

Mitten unter unserem Gespräch kam James Lowell die Treppe herauf und in das Zimmer, wo ich unter der Gesellschaft saß, gesprungen, sein schönes, lebensfrisches, von Gesundheit und Herzlichkeit strahlendes Gesicht glänzend wie eine Maisonne in der bleichen, obschon freundlichen Versammlung. Er und Maria waren just jetzt angekommen, und wir hatten eine herzliche Begrüßung mitten unter den Shäkergeschwistern, die sanft lächelten und uns nicht ohne Theilnahme ansahen. Sie luden uns ein Alle zu kommen und das Abendbrod mit ihnen zu essen. Aber Lowells setzten ihre Reise nach dem Libanonsbrunnen fort, weil Marie der Ruhe bedurfte. Springs und ich gingen mit unsern Shäker-Freunden in einen Saal hinab, wo ein Tisch für uns gedeckt war mit Thee, Milch, Brod und Butter, Kuchen und Sulzen, Alles sehr reichlich. Wir wurden von den Schwestern bedient; einige der ältesten Brüder setzten sich mit uns zu Tisch, aber ohne etwas zu verzehren. Zu einer der Schwestern, die uns aufwartete, sagte Rebekka Spring, als diese sich herabbeugte, um ihr etwas anzubieten: „Sie sehen so gut aus, daß ich Sie küssen muß.“ Sie lächelte und ihre Miene zeigte Zufriedenheit. Mehrere Schwestern kamen herein, um uns zu sehen. Ich bemerkte einige Weiber von mittlerem Alter mit ausgezeichnet guten und edeln Gesichtern. Ruhe und milder Ernst zeichnete alle aus. Sie erinnerten mich an einen milden, aber trüben Septembertag in Schweden. Die Luft ist rein, das Feld noch grün, es ist angenehm und ruhig; aber eine gewisse Wehmuth weilt über der Landschaft, es fehlt die Sonne, es fehlen Blumen und Vogelgesänge; Nichts wächst, Alles steht still, und wenn ein Vogel ein kleines Gezwitscher erhebt, so ist es bald zu Ende.

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/213&oldid=- (Version vom 12.12.2020)