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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

sah er selbst dazu und förderte die Arbeit, daß sie gut gethan wurde und rasch vor sich ging, und er gewann noch hinlängliche Zeit für seine Landwirtschaft. Den Aufenthalt in den Versammlungen und Wirthshäusern, wo die Spottvögel saßen, kürzte er immer mehr ab und gewöhnte sich, zu jeder beliebigen Zeit aufzubrechen und sich loszureißen, ohne gerade ein sogenannter Leimsieder zu werden. Er bemerkte, daß die rechte Lustigkeit erst nach gethaner Arbeit entsteht und daß Leute, welche immer in derselben Wirthshausluft, bei denselben Manieren sitzen, zur schönsten Krähwinkelei gedeihen; daß der liederliche Spießbürger um kein Haar geistreicher ist als der solide und daß überhaupt Männer, die sich immerwährend und täglich mehrmals sehen, einander zuletzt dumm schwatzen. Dennoch stieß seine Bekehrung auf große Schwierigkeiten, und er mußte die tapfersten Anstrengungen machen, um nicht zurückzufallen. Aber wenn die Verlockung und das Geräusch zu stark wurden, verließ er die Stadt und floh zu Wilhelm hinauf, den er liebgewonnen und zu seinem Vertrauten machte. Hierdurch wurde dieser wiederum angefeuert, daß er in seinem löblichen Wesen nicht mürbe wurde. Allein der Teufel suchte abermals Unkraut zu säen, indem des Tuchscheerers Frau nicht von der alten Weise lassen wollte und den Verkehr mit den Müßigen und

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/231&oldid=- (Version vom 31.7.2018)