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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Gritli weinte heftiger, aber sie kämpfte mit sich und rief dann entschlossen: „Nein! geh' nur und thu’, was Du für gut findest! Es muß ja sein!“

Frau Aennchen ging also wohlgemuth durch das Frühlingsland und badete unternehmungslustig ihre Gestalt in der glänzenden Luft. Ihre Röcke schwangen sich hin und wider, daß der rote Scharlachsaum bei jedem Schritt aufleuchtete; im Arme trug sie einen frisch gebackenen Eierzopf und eine Schiefertafel in ein weiß und blau gewürfeltes Tuch gewickelt. Dergestalt erreichte sie das Rebhäuschen; diesmal klopfte sie nur mittelmäßig stark an die Thür und trat mit gutem Anstande in die Stube. Wilhelm erkannte sie nicht sogleich, war aber betroffen über die anmuthvolle Erscheinung. Er kochte eben seinen Sonntagskaffee, welcher angenehm durch den Raum duftete. Aennchen machte einen zierlichen Knix und sagte: „Da komme ich gerade recht! Habt Ihr meine Federn geschnitten, Herr Hexenmeister? Ich will sie abholen; und hier habt Ihr auch eine kleine Gabe für Eure Mühe, nur um den guten Willen zu zeigen!“ Damit entwickelte sie das Gebäck, das sie trug, und legte es auf den Tisch. „So könnt Ihr das Geschenk wieder mitnehmen“, erwiderte Wilhelm, „denn Eure Federn sind nicht zum Schreiben und ich habe sie weggeworfen!“ – „So? nun, da muß ich mir Federn

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/247&oldid=- (Version vom 31.7.2018)