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Walther Kabel: Ein Vulkan als Glasschmelzofen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 11)

Ein Vulkan als Glasschmelzofen. – Auf der zu den Philippinen gehörigen Insel Negros erhebt sich der heute noch tätige Vulkan Canloon. Auf der Südseite des Berges in halber Höhe entquillt einer Felsspalte unausgesetzt ein flüssiger Lavastrom, der in der Hauptsache aus Vulkanglas, einem in allen Farben spielenden durchsichtigen Gemenge, besteht. Dieses flüssige Vulkanglas benützten die Eingeborenen seit langen Jahren zur Herstellung der verschiedenartigsten Gegenstände, indem sie den Lavastrom zu einfachen, aus fettem Lehm hergestellten Formen hinleiteten und sich so ohne große Mühe Schalen, Flaschen und Kochtöpfe herstellten, die sich durch große Haltbarkeit auszeichneten.

Als die Philippinen in amerikanischen Besitz übergingen, nahm diese mühelose Industrie plötzlich einen ungeahnten Aufschwung. Eine amerikanische Naturforscherexpedition, die zur Untersuchung des Canloon abgeschickt worden war, brachte die Kunde von der Benützung des Vulkanes als Glasschmelzofen nach Manila. Sofort machte sich ein findiger New Yorker namens Settelmann, der in Manila eine Handelsniederlassung besaß, diese Entdeckung zunutze. Er pachtete von der Regierung das Recht, das flüssige Vulkanglas für seine Zwecke verwenden zu können, und errichtete in der Nähe der Lavaquelle eine große Fabrik, in der jetzt aus Vulkanglas nicht nur Ofenkacheln, große gläserne Behälter und kleinere Glassachen, sondern auch Pflastersteine und Trottoirplatten hergestellt werden. Vielfach haben besonders stark gegossene Platten auch bei dem Bau der neuen Festungswerke von Manila zur Eindeckung von Geschütztürmen Verwendung gefunden, da sie fast ebenso widerstandsfähig wie stählerne Panzerplatten, dabei aber bedeutend billiger sind.

Der Vulkan Canloon hat auch eines der interessantesten Stücke für das in Manila neugeschaffene Museum geliefert. Die oben erwähnte Naturforscherexpedition fand nämlich unweit der Krateröffnung des Canloon die Leiche eines Eingeborenen, die von einem längst erkalteten Vulkanglaslavastrom vollständig eingeschlossen war und sich bei der Durchsichtigkeit der Lavamasse noch deutlich erkennen ließ. Man nimmt an, daß dieser

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Walther Kabel: Ein Vulkan als Glasschmelzofen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 11). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1910, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Vulkan_als_Glasschmelzofen.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)