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Walther Kabel: Ein Wiederfinden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9)

hierin ein ganzer Mensch bleiben, nie ihren Sinn ändern wird!“

Vergeblich ist sein beschwörendes Flehen. Und ihm, der sonst so leicht mit klingenden Sätzen jeder Gefühlsregung Ausdruck geben kann, fehlen heute die ernsten Worte, um seiner Verzweiflung den Stempel wahrsten Empfindens aufzudrücken. Diesem drohenden Verlust gegenüber erscheint ihm heute jedes Wort nur traurige, nichtssagende Phrase.

Und sie, die durch seine schwache Verteidigung in ihrer schnell gefaßten Meinung über das Unaufrichtige in seinem Charakter nur noch bestärkt wird, hebt jetzt den Arm und weist zur Tür. „Gehen Sie, verlassen Sie mich sofort!“ Ihre Stimme klingt schneidend, grausam.

Und doch – niemand sieht in ihr Herz, das sich in wildem Schmerze aufbäumt, das sie mit aller Energie niederzwingen muß, um sich nicht zu verraten.

Da erhebt sich seine zusammengesunkene Gestalt langsam aus dem Sessel. „Leben Sie wohl, gnädige Frau.“ Kaum vernehmlich wehen die Worte zu ihr herüber.

Noch eine Verbeugung, dann geht er zur Tür, schlägt den Vorhang zur Seite – und dann wendet er sich nochmals zurück. Ein Stöhnen dringt durch die Stille des Zimmers, ein Laut, der die Nerven der Frau erzittern macht.

Und jetzt findet er endlich Worte, schlichte Worte, doch nur Worte, die nichts mehr ändern können. „Ellen, ich habe gefehlt. Warum ich’s tat – du weißt es. Und der Sünder hat freiwillig seine Schuld bekannt, ehrlich, ohne Beschönigung, hab’ dich um Vergebung angefleht. Du bist hart geblieben. Weil ich ehrlich war, mein Gewissen entlasten wollte, bricht mein Glück

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Walther Kabel: Ein Wiederfinden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1910, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Wiederfinden.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)