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Walther Kabel: Ein Wiederfinden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9)

ein Name steht, ein Name, der soeben durch seine Erinnerung zuckte wie ein flammender, einen bestimmten Daseinsabschnitt erhellender Blitz und ihn für Augenblicke wachgerufen hatte aus diesem stumpfen, unbewußten Vorsichhinträumen.

Weiter stolpert das müde Roß. Wieder schwankt der Reiter im Sattel kraftlos hin und her wie ein Uhrpendel. Aber in seinen Ohren klingen die weichen Laute dieses Namens wie ein sehnsüchtiges Raunen fort, und seine Lippen, verdorrt und rissig von Sonnenbrand und Durst, formen immer aufs neue zwei Worte: Ellen Bieler – Ellen Bieler.

Jetzt tritt in das von Krankheit und Strapazen entstellte Gesicht des Mannes ein Ausdruck erhöhter Qual. Sein visionäres Schauen ist angelangt bei jenem Abend, als er zum ersten Male in seinem Leben jene wilde Verzweiflung fühlte, die nur die Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit und ihrer heiß bereuten, aber nicht mehr abzuwendenden Folgen hervorrufen kann - bei jenem Abend, der für Horst Dittmers der letzte in dem trauten, von Glückseligkeit einst durchwehten Gemache bei Ellen Bieler war, der letzte, bevor diese das Herz zermarternde Reue ihn in das Grauen dieses furchtbaren Feldzuges, hinein in die öden Strecken der afrikanischen Kolonie trieb.

***

Kaum zwei Wochen war es her, daß der junge, von den Frauen so sehr verwöhnte Privatdozent Doktor Dittmers um die anscheinend so kühle, unnahbare Witwe des reichen Fabrikbesitzers Bieler geworben. Aber Horst Dittmers gegenüber vergaß Frau Ellen all ihre Vorsätze, vergaß, daß sie bisher in der ständigen Furcht gelebt hatte, nur ihres Geldes wegen begehrt zu werden.

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Walther Kabel: Ein Wiederfinden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1910, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Wiederfinden.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)