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Walther Kabel: Ein Wiederfinden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9)

den feinsten Blütenstaub von dieser rosenroten Seligkeit.“

So war Frau Ellens junge Witwenschaft durch einen Frühlingsrausch abgelöst worden, wie ihn kein Dichter heißer, berückender schildern kann. Die Wochen gingen dahin. Die Welt hatte sich längst daran gewöhnt, die reizende Frau in steter Begleitung des hochgewachsenen Mannes zu sehen. Jeden Tag erwartete dieselbe Welt die Entscheidung, die einzig mögliche Lösung dieses vertrauten Verkehrs. Aber vergebens überflogen neidische Augen täglich die Reihe der Anzeigen in den Zeitungen, vergeblich suchten gute Freunde Horst Dittmers zu einer klärenden Äußerung zu veranlassen.

Und dann kam das nie Geahnte, fast Unglaubliche.

Eines Tages war Horst Dittmers aus der Stadt verschwunden, abgereist ohne Abschiedsbesuche, ohne auch nur einen einzigen in das Geheimnis dieser offenbaren Flucht einzuweihen. Nur langsam sickerte die Wahrheit durch. Der junge Gelehrte, der als Reserveoffizier einem der Garderegimenter angehörte, hatte sich als Freiwilliger zur Teilnahme an dem Hererofeldzuge gemeldet und es durch seine Verbindungen im Kolonialamt möglich gemacht, schon mit dem nächsten Truppentransportdampfer Europa verlassen zu können.

Die weiteren Kombinationen schienen nicht schwer. Jedermann glaubte eben, daß der schöne Dittmers sich bei Frau Ellen trotz all seiner Bemühungen einen Korb geholt habe. Niemand ahnte die Wahrheit, erfuhr den wahren Sachverhalt.

Frau Ellen verließ kurz nach der Abreise ihres scheinbar abgewiesenen Freiers gleichfalls die alte Universitätsstadt und wurde erst zwei Monate später in einem Badeort an der Riviera von Bekannten wieder

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Walther Kabel: Ein Wiederfinden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1910, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Wiederfinden.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)