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Walther Kabel: Ein rettender Einfall (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 8)

Klinik des berühmtesten Augenarztes von Wien, des Professors Ferdinand v. Arlt. Doch auch dessen Kunst vermochte ihm die gestörte Sehkraft nicht wiederzugeben.

Als Bennhofer erfuhr, daß er für sein weiteres Leben blind bleiben würde und nie wieder seine geliebte Bildhauerkunst ausüben könne, brach er völlig zusammen. Da er ein nur bescheidenes Vermögen besaß, löste er auch seine Verlobung auf, obwohl seine Braut schließlich nur dem Drängen ihrer Eltern nachgab. Tagelang saß Bennhofer in seinem Krankenzimmer und brütete düster vor sich hin. Mehrmals versuchte er sich das Leben zu nehmen. Von Tag zu Tag steigerte sich seine trübsinnige Stimmung, und bereits machten sich bei ihm die ersten Anzeichen einer beginnenden Geistesstörung bemerkbar, als der Professor auf ein einfaches Mittel verfiel, die Gedanken des unglücklichen jungen Mannes etwas abzulenken und zunächst wenigstens ein gewisses Interesse für andere Dinge wieder bei ihm zu erwecken. Er knüpfte in eine Schnur einen vielfach verschlungenen Knoten und bat Bennhofer dann, den Knoten zu entwirren, eine Tätigkeit, die immerhin eine gewisse geistige Anspannung erforderte.

Arlt hatte den richtigen Weg eingeschlagen, um dem erblindeten Künstler die Lebensfreudigkeit zurückzugeben, denn dieser fand an dem Entwirren der verwickeltsten Knoten immer mehr Vergnügen, so daß er es schließlich zu einer solchen Fertigkeit darin brachte, daß er die kompliziertesten Aufgaben dieser Art spielend löste. Dadurch gewannen seine Fingerspitzen eine unglaubliche Feinfühligkeit, die durch andere ähnliche Arbeiten immer weiter entwickelt wurde, bis man Bennhofer nach Verlauf eines halben Jahres zum ersten Male eine Knetmasse anvertraute, aus der er dann die verschiedensten, vorläufig noch einfachen Gegenstände zu modellieren begann.

Mit dem jungen Mann war sowohl körperlich wie geistig eine große Änderung zum Besseren vor sich gegangen. Seine Gleichgültigkeit, seine geistige Stumpfheit waren gewichen. Sein Gesicht hatte wieder frischere Farben bekommen, und mit einem gewissen Stolz zeigte er seinem Wohltäter jetzt stets die Proben seiner Fingerfertigkeit auf. Nach weiteren zwei

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Walther Kabel: Ein rettender Einfall (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 8). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_rettender_Einfall.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)