Seite:Elektrische und Optische Erscheinungen (Lorentz) 028.jpg

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Es wäre dann weiter die Art der entstehenden Aetherstromungen zu erforschen und unter Berücksichtigung derselben die Frage nach den ponderomotorischen Wirkungen aufs neue in Angriff zu nehmen.

Die Grundzüge einer Theorie der genannten Aetherströmungen wurden noch von Hermann von Helmholtz’ Meisterhand entworfen in einer[1] der letzten Arbeiten, die es ihm vergönnt war, zu vollenden.

Hier kann auf die eben berührten Fragen nicht eingegangen werden, da die Grundannahme, von der wir ausgegangen sind, eine andere Auffassung mit sich bringt. In der That, weshalb sollten wir, da wir doch einmal angenommen haben, dass der Aether sich nicht bewege, je von einer auf dieses Medium wirkenden Kraft reden? Das Einfachste wäre wohl, anzunehmen, dass auf ein Volumelement des Aethers, als Ganzes betrachtet, nie eine Kraft wirke, oder selbst den Begriff der Kraft auf ein solches Element, das doch nie von der Stelle rückt, nicht einmal anzuwenden. Freilich verstiesse diese Auffassung gegen den Satz von der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung —, da wir ja Grund haben zu sagen, dass der Aether Kräfte auf die ponderable Materie ausübe —; aber, soviel ich sehe, zwingt nichts dazu, jenen Satz zu einem unbeschränkt gültigen Fundamentalgesetze zu erheben.

Haben wir uns einmal für die so eben geschilderte Betrachtungsweise entschieden, so müssen wir auch von vornherein darauf verzichten, die durch (V) bedingten ponderomotorischen Wirkungen auf Aetherspannungen zurückzuführen. Das wären ja Kräfte zwischen dem einen und dem anderen Theil des Aethers, und solche dürfen wir, wollen wir consequent sein, nicht mehr annehmen.

Trotzdem werden wir zur Erleichterung der Rechnung die Gleichung (15) anwenden können, und es wird auch kein Missverständniss verursachen, wenn wir uns der Kürze halber so ausdrücken, als ob die Elemente der beiden ersten Integrale wirkliche Spannungen im Aether bedeuteten.


  1. v. Helmholtz. Folgerungen aus Maxwell’s Theorie über die Bewegungen des reinen Aethers. Berl. Sitz.-Ber., 5. Juli 1893; Wied. Ann., Bd. 53, p. 135, 1894.