Seite:Elektrische und Optische Erscheinungen (Lorentz) 073.jpg

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Wie man weiss, sind es hauptsächlich die Erscheinungen der anomalen Dispersion, welche zu Gunsten der Annahme mitschwingender Massen sprechen. Was andererseits die Differentialquotienten nach x, y, z betrifft, so fragt es sich, ob die Glieder, in denen sie vorkommen, auch gross genug sind, um einen nennenswerthen Einfluss auszuüben. Leider lässt sich hierüber schwerlich urtheilen. Wie wir sahen, können die genannten Glieder nur davon herrühren, dass das electrische Moment nicht in allen Punkten der Kugel I dieselbe Grösse und Richtung hat. Da der Radius viel kleiner als die Wellenlänge ist, so sind die Differenzen sicherlich sehr geringfügig, und wird man daher keinen Anstand nehmen, dieselben zu vernachlässigen, wenn es sich um eine Wirkung auf entfernte Punkte handelt. Allein es wäre voreilig, zu behaupten, dass nicht auch diese kleinen Aenderungen von einen Einfluss auf die Erscheinungen im Inneren der Kugel haben können. Die Drehung der Polarisationsebene, auf die wir noch zurückkommen werden, und die wohl nicht ohne Zuhülfenahme der Differentialquotienten nach x, y, z zu verstehen ist, muss uns schon davon abhalten, einen Einfluss derartiger Glieder auf die Dispersion von vornherein zu verneinen.

Mit mehr Recht kann man aus den Erscheinungen auf die Unerheblichkeit dieses Einflusses schliessen. Behält man nämlich in den Gleichungen (59) die Differentialquotienten nach x, y, z bei und vereinfacht dann die Formeln, soweit es auf Grund der bekannten Symmetrieverhältnisse der Krystalle geschehen kann, so wird man zu Gesetzen für die Lichtbewegung geführt, die verwickelter als die thatsächlich geltenden sind und in diese nur übergehen durch eine weitere Vereinfachung der Formeln, für welche kein Grund anzugeben ist. Beispielsweise würden nach jenen Gesetzen die regulären Krystalle nicht isotrop sein, sondern eine eigenthümliche Art Doppelbrechung zeigen müssen[1].


  1. Vgl. meine früheren Betrachtungen (Over het verband tusschen de voortplantingssnelheid van het licht en de dichtheid en samenstelling der middenstoffen. Verhandelingen der Akad. van Wet. te Amsterdam, Deel 18, pp. 68—77; Wied. Ann., Bd. 9, p. 656).