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Walther Kabel: Fühlen Tiere Todesangst? In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 13, S. 218–220

Reiterattacken bei Mars la Tour und Vionville beobachtet, wie die Pferde im Kugelregen stets ein ängstliches Wiehern ausstießen und ihnen vor Aufregung ganz plötzlich starker Schaum vor die Nüstern trat. „Nach den letzten Kämpfen um Metz, die der völligen Einschließung dieser Festung vorausgingen,“ schreibt ein Offizier in seinen Kriegserinnerungen, „waren die überall auf den Schlachtfeldern umherirrenden, zum Teil verwundeten Pferde auf einem großen Platze zusammengetrieben worden, um dort untersucht und im Falle der Unbrauchbarkeit erschossen zu werden. Die zum Erschießen abkommandierten Leute standen unter meinem Befehl. Es war eine traurige Aufgabe, die uns oblag, und wir erfüllten sie nur mit großem Widerwillen. Die dem Tode verfallenen Tiere standen in einer Ecke, wohl an die fünfhundert Stück. Dicht dabei lag ein tiefer Steinbruch. Da wir die Pferde unmöglich sämtlich in der Erde verscharren konnten, wurden die armen Todeskandidaten dicht an den Rand des Abhanges geführt und erhielten dort von rückwärts eine Gewehrkugel durch den Kopf, so daß sie in den Steinbruch rollten. Bei dieser schauerlichen Arbeit konnte ich so recht beobachten, wie gut die Tiere wußten, was ihnen bevorstand. Ihr ängstliches Schnauben griff uns, die wir doch schon genug Jammer und Elend in dieser kurzen Zeit seit Beginn des Krieges geschaut hatten, tief ans Herz. In den klugen Augen lag deutlich der Ausdruck der Todesfurcht. Ihre Flanken schlugen, und der ganze Körper schwitzte, wie ich es nie wieder bei Pferden gesehen habe. Viele, die nur leicht verwundet waren, wollten sich durchaus nicht an den Rand der Schlucht bringen lassen. Sie schlugen aus, bissen um sich und zitterten dabei vor Aufregung. Sie wußten eben, daß ihnen an jener Stelle dicht am Abhang der Tod drohte. Meine Leute und ich waren froh, als diese Schlächterei beendet war. Nie werde ich jene Stunden vergessen.“

W. K.
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Walther Kabel: Fühlen Tiere Todesangst? In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 13, S. 218–220. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:F%C3%BChlen_Tiere_Todesangst.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)